Häufige Giftpflanzen auf der Weide I

Teil 1: Drei weltweit gefürchtete Giftpflanzen

Drei weltweit gefürchtete Giftpflanzen aus Europa

Als vor wenigen Jahren das Endophyten-Service-Labor der USA in Corvallis die wichtigsten Giftpflanzen auf Viehweiden im pazifischen Nordwesten der USA aufzählte, handelte es sich bei allen drei Pflanzen um europäische Gewächse, die uns nur allzu bekannt sind:

  • Jakobs-Kreuzkraut (Tansy Ragwort, Senecio jacobaea, Jakobs-Greiskraut)
  • Rohrschwingel (Tall Fescue, Festuca arundinacea, neuerdings Lolium arundinaceum)
  • Deutsches Weidelgras (Perennial Ryegrass, Lolium perenne, Englisches Raygras)

Das heimische Jakobs-Kreuzkraut (JKK) wurde weltweit verschleppt und wir sehen sofort ein, dass das ein ernstes Problem ist. Die bei uns ebenfalls heimischen Gräser Rohrschwingel und Deutsches Weidelgras sind dagegen die weltweit wichtigsten Wirtschaftsgräser geworden. Sie auf einer Stufe mit JKK als „Giftpflanzen“ zu finden, ist gewöhnungsbedürftig. 

Da die Giftigkeit dieser Gräser bereits mehrfach Thema von Artikeln in der Artgerecht-Tier war (Wehrhafte Gräser , Eine nüchterne Rechnung, Hirsutismus, Vergiftungen von Pferden durch Gräsergifte) bietet die folgende Grafik einen Überblick:

Abb. 1: Weg und Wirkung der Gräsergifte im Tier. Verändert, aktualisiert und ergänzt nach Fig. 1 auf S. 11 in Arthur 2002 Abb. 1: Weg und Wirkung der Gräsergifte im Tier. Verändert, aktualisiert und ergänzt nach Fig. 1 auf S. 11 in Arthur 2002. * PA: Pyrrolizidinalkaloide. Zum Vergrößern bitte anklicken!

Zum Verständnis der in Abbildung 1 dargestellten Biotransformation bietet es sich an, den Artikel von Dr. Frauke Garbers über den enterohepatischen Kreislauf zu lesen.

Die Mutterkorngifte werden vom Körper überwiegend durch die Schleimhaut des Dünndarmes aufgenommen. Die Rückführung über die Leber und die Galle in den Darm bewirkt daher bei der chronischen Vergiftung einen nicht enden wollenden Kreislauf der Wirkstoffe, bis die tödliche Dosis sich über die Futteraufnahme im Körper angesammelt hat und die Katastrophe eintritt.

Gräsergifte

Die vier Wirkstoffgruppen der bisher bekannten, für Weidetiere gefährlichen Gräsergifte umfassen völlig unterschiedliche Symptomatiken. Am bekanntesten sind dabei die Probleme, die durch Mutterkorngifte (Ergotalkaloide) verursacht werden, obwohl nur wenige Tierärzte wissen, was ein Endophyt ist. Gräser ohne Mutterkornbefall sind ihnen daher nicht verdächtig.

Vorstufe im Gras und Abbauprodukt der Mutterkorngifte im Urin ist die Lysergsäure. Bei dem Begriff Lysergsäure horchen viele Menschen auf, ist dieser Wirkstoff doch auf anderem Gebiet berühmt-berüchtigt: LysergSäureDiäthylamid, vielleicht besser bekannt unter seiner Abkürzung LSD. Das Windengewächs, aus der erstmals diese Wirkstoffgruppe isoliert wurde, ist genau wie unsere Gräser mit Pilzpartnern infiziert und – wen überrascht es – ihre Pilze sind ebenfalls sehr nahe mit den Mutterkornpilzen verwandt, produzieren daher entsprechende Wirkstoffgruppen. Pferde brauchen für einen Rausch also kein Gras zu rauchen, es reicht, wenn sie ins Gras beißen. Tritt ein Rausch ein, so bezweifle ich, dass dieses Futtermittel als Grundnahrungsmittel geeignet ist.

Der Weg der Mutterkorngifte im Stoffkreislauf ist für die Entgiftung entscheidend. Es ist bewiesen, dass Ergovalin und Ergotamin, nicht jedoch die Wirkstoffgruppe der Lysergsäure, in Fettspeichern des Körpers angereichert werden. Im Fettgewebe zwischengelagerte Mutterkorngifte können längerfristig ein Risiko der Selbstvergiftung darstellen. Die meisten Mutterkorngifte sind als schwache Basen sowohl in Wasser als auch in Fett löslich. Daher entscheidet der pH- Wert und die Umgebung innerhalb des Körpers darüber, wie die Wasser/Fett-Verteilung dieser Alkaloide und daraus folgend ihre Aufnahme in den Stoffwechsel ist. Fettlösliche Gifte können schwer ausgeschieden werden. Sie können sich immer weiter im Körper anreichern, bis es schließlich zur Vergiftung kommt. Zudem können fettlösliche Gifte gegebenenfalls die Blut-Hirn-Schranke überwinden und direkten Einfluss auf die Funktionen des Gehirns ausüben.

Teilweise bekannt sind unseren Tierärzten die Nervenstörungen verursacht durch die Weidelgras-Taumelkrankheit. Auch das für diese Nervenstörungen verantwortliche Lolitrem B kann im Fettgewebe erkrankter Tiere nachgewiesen werden, genauer gesagt im nierennahen Bauchfett.

Nur selten wissen unsere Tierärzte etwas vom Equinen Schwingelödem, dessen Ursache, die Loline, übrigens eine Fraß-Abwehrreaktion der Gräser auf häufige Verletzung ist (Überweidung).

Wir dürfen wohl feststellen, dass die leberschädigende Wirkung von Gräsergiften aus der Gruppe der ungesättigten Pyrrolizidinalkaloide unseren Tierärzten bisher nicht bekannt ist. Das sollten wir ändern! Pyrrolizidinalkaloide (PA) sind die Wirkstoffe, die das JKK so giftig machen und vor denen daher auch im Honig oder Fencheltee in Spuren gewarnt wird. Nun sind PA eine riesige Gruppe von Wirkstoffen, die von völlig ungefährlich bis hochgradig giftig reichen. Die gesättigten PA gelten als nicht leberschädigend, während es sich bei den ungesättigten PA um gefährliche Lebergifte handelt.

Fazit

Es ist möglich, dass in einem Stall alle Pferde unerwartet sehr schlechte Leberwerte aufzeigen, ohne dass ein (verdächtigtes) JKK auch nur in der Nähe des Stalles, seiner Heu- und Weideflächen vorbei geflogen ist. Alles wird verdächtigt und untersucht, von Giftkräutern über Gehölze, das Trinkwasser bis hin zum Acker des Nachbarn – nur nicht das gute Futtergras.

Dr. rer. nat. Renate Vanselow, Dipl.-Biologin

Hier geht es weiter mit Teil 2


04.09.2017

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