Sterbephasen in der Traditionell Tibetischen Medizin TTM
Die fünf Elemente „sa“ (Erde), „chu“ (Wasser), „me“ (Feuer), „rLung“ (Luft) und „nam-Kha“ (Raum) bilden die Grundlagen allen Lebens. Sie sind in allem, was existiert, vorhanden, in jedem kleinsten Teilchen. Während der Embryonalphase entsteht der Körper aus diesen Elementen.
Das Erdelement bildet die Basis, die Grundlage unserer Existenz. Alle harten Teile des Körpers wie Knochen, Muskeln, Sehnen und Bänder entstehen aus diesem Element. Das Wasser ist verantwortlich für die Kohäsion, es bewirkt, dass etwas zusammenhält. Im Körper bildet das Wasserelement alle feuchten und flüssigen Anteile wie das Blut und die Lymphe. Das Feuerelement steht für Transformation und Reifung. Es ist nicht nur für die Körpertemperatur entscheidend, sondern übernimmt auch im Verdauungsprozess wichtige Funktionen. Alles was wir essen und trinken wird in Nahrungsessenz umgewandelt. Das Element Luft ist für die Bewegung im Körper verantwortlich. Muskelbewegungen, aber auch Atmung und der Blutkreislauf, werden von ihm reguliert.
Das Raum-Element stellt die Grundlage für Entwicklungsprozesse zur Verfügung. Es bildet im Körper alle Hohlräume wie auch die Ohren.
Alle Krankheiten entstehen aus einem Ungleichgewicht dieser fünf Elemente und im Sterbeprozess lösen sich die Elemente ineinander auf. Dabei ist die Reihenfolge umgekehrt zur Entstehung. Manchmal verlaufen diese Prozesse sehr langsam über Wochen und Monate, manchmal spielen sie sich aber auch innerhalb weniger Tage – oder bei einem Unfall in Sekunden – ab. Nicht immer sind dann alle Anzeichen so sichtbar wie bei einem langsamen Prozess.
Sterbephasen in der TTM
1. Das Element Erde löst sich im Element Wasser auf
Das Element Erde ist in der tibetischen Medizin das schwerste Element, es gibt uns sozusagen die Bodenbindung. Wir kennen es von älteren Tieren, dass sie im Laufe des Alterungsprozesses an Körpermasse verlieren und damit auch an „Erdung“. Die Muskulatur baut sich langsam ab, die Tiere werden immer dünner. Das Erdelement löst sich im Wasserelement auf.
2. Das Element Wasser löst sich im Element Feuer auf
Der Körper trocknet nach und nach aus. Die Haut der Tiere sieht man unter ihrem Fell nicht so genau, aber oft fällt es uns an den Schleimhäuten von Augen und Nase auf. Immer häufiger finden sich auch morgens trockene Krusten im Augenwinkel. Bei der Blutabnahme kann es jetzt immer schwieriger werden, die Blutgefäße ziehen sich zurück und auch das Blut ist zähflüssiger. Gleichzeitig kann es zu einem gesteigerten oder auch gar keinem Trinkbedürfnis kommen. Das Wasserelement löst sich im Feuerelement auf.
3. Das Element Feuer löst sich im Element Luft auf
Wenn das Feuerelement abnimmt, beginnt der Körper schneller auszukühlen. Warme Plätze vor dem Ofen oder der Heizung werden bevorzugt. Manche Tiere mögen es jetzt abends zugedeckt zu werden oder sich in eine kuschelige Decke einzurollen. Manchmal kommt es in der Phase auch zu einem „verbrennen der letzten Energien“: Die Lebensenergie lodert noch einmal auf und dem Tier geht es so gut wie lange schon nicht mehr. Dieser Zustand ist meist nur von kurzer Dauer. Sinkt die Körpertemperatur messbar ab, löst sich das Feuerelement im Element Luft auf.
4. Das Element Luft löst sich im Raum auf
Wenn sich das Element Luft auflöst, machen sich häufig Atemgeräusche bemerkbar. Der Atem kann auch unregelmäßig und flacher werden, Aussetzr können auftreten. Wenn der letzte Atemzug getan ist, hat sich das Element Luft im Raumelement aufgelöst. Der Raum wiederum bietet Platz, dass Neues entstehen kann.
Für die Tibeter ist das Sterben der Übergang ins nächste Leben. Das unsterbliche Bewusstsein/der Seelenanteil verlässt nun den Körper durch das Scheitel-Chakra. Dieser Zwischenzustand, in dem das feinstoffliche Bewusstsein sich zwischen den Inkarnationen befindet, wird „Bardo“ genannt. Das Bardowesen sucht sich einen neuen Körper, der wiederum aus den fünf Elementen entsteht. Hierbei ist es – auch bei den Tieren – wichtig, dass auch das Karma passt, damit das Bardowesen sich niederlassen wird.
Als ich letztes Jahr mit meinem 13-jährigen Schäferhund Asher den täglichen Spaziergang im Wald machen wollte, wurden mir diese Sterbephasen sehr deutlich vor Augen geführt. Er lag auf seinem Lieblingsplatz im Hof und statt wie immer freudig aufzuspringen, als ich nach der Leine griff, stand er nur zögerlich auf und begann zu schwanken. Die Erdung fehlte ihm schon und schnell führte ich ihn ins Haus und kontrollierte Schleimhäute und Körpertemperatur. Die Nase war trocken, aber er hatte kein Fieber. Mit 37°C war er für einen Hund in der Untertemperatur und auch die Schleimhäute waren blass, fast weiß. Das Feuerelement war deutlich reduziert. Schnell packte ich ihn ins Auto und fuhr zum Tierarzt. Dort bekam ich ihn nur noch mühsam aus dem Kofferraum. Das Element Luft, welches auch für die Bewegung und den Blutkreislauf zuständig ist, begann sich im Raumelement aufzulösen. Eine Ultraschalluntersuchung ergab einen geplatzten Milztumor, der ganze Bauchraum war mit Blut gefüllt. Er verblutete innerlich und sein Herzschlag wurde immer schwächer. Für eine Operation war es zu spät. Ich wusste nicht ob er Schmerzen hatte, seine dunklen Augen blickten mich an und schweren Herzens entschloss ich mich ihn einschläfern zu lassen. Als die Spritzen gesetzt waren, löste sich sein Atem im Element Raum auf und zurück blieb sein Körper. Die Tibeter sagen, dass der unsterbliche Teil der Seele, das „Bardo“ sich einen neuen Körper sucht. Wo auch immer du sein magst, Asher, ich wünsche Dir eine gute Reise.
Heute, fast ein Jahr später, bin ich froh und dankbar, dass ich bis zum letzten Moment an seiner Seite bleiben durfte. Ich habe Asher in ein Krematorium gebracht. Da er das Spiel mit den Stöckchen so liebte, habe ich einen schönen Ast für ihn im Wald gesucht und mit verbrennen lassen. Einen kleinen Teil von Ashers Asche trage ich in einem Schmuckstück bei mir. Aber vor allem ist die Erinnerung an seine Liebe in meiner Seele für immer unsterblich.
Martina Kamp, Tierheilpraktikerin
Diplom-Zertifikat Grundlagen der TTM vom Tibet Zentrum Österreich in Zusammenarbeit mit dem Men-Tsee-Khang Institut des Dalai Lama
01.12.2018
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