Glosse "Huhn im Glück"
Zum Glück leben wir in einem Land, in dem die Politiker immer nur das Beste wollen. Für uns alle. Für die Menschen und die Tiere.
Und auch für die Hühner in den Legebatterien.
In den Legebatterien herrscht der reine Luxus. Früher waren die Käfige für die vielen Millionen Legehennen gerade so groß wie ein DIN A4-Blatt. Das war Tierquälerei. Und nun endlich, nach vielen Jahren zähen Ringens, bekommen die Hühner soviel Platz, dass sie sich so richtig austoben können, denn lt. Gesetz steht jetzt jedem Huhn ein Käfig zu in der Größe von 1,25 DIN A4-Blatt, also rund zwei Bierdeckel mehr. Der pure Luxus.
Da kann man mal sehen: Die Politiker wissen ganz genau, was gut ist für die Legehennen, und sie sind ja auch bestens von Wissenschaftlern beraten, die das alles gründlich untersucht haben. Politiker kennen das Tierschutzgesetz, das sie ja selbst gemacht haben, genau. In dem heißt es:
§ 1
Grundsatz: Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.
Aber irgendwie hat mich doch das Gefühl beschlichen, dass da vielleicht was nicht ganz stimmt. Mir kommt es so vor, dass der Platz pro Huhn immer noch sehr klein ist und sich nach den vielen Diskussionen eigentlich gar nicht wirklich viel verändert hat. Aber weil ich ja kein Wissenschaftler und kein Politiker bin, kann ich das ja wahrscheinlich gar nicht richtig beurteilen. Und, ja – mal ganz ehrlich. Man muss das mal aus der Sicht der Hühner betrachten. Die können ja eigentlich total glücklich sein. Hühner, die sind Herdentiere und deshalb gar nicht gerne alleine. Die brauchen viele Sozialkontakte zu anderen Hühnern – und die haben sie doch bei dieser Haltung, Hühner, so weit das Auge reicht – überall sind Freunde.
Ach ja… und so Hühner sind auch ganz schön schlau. Wenn sie in die Käfige reingesetzt werden, dann sind die alle noch voller Federn. Da wird ihnen schnell zu warm. Aber kein Problem, die rupfen sich einfach die Federn aus. Nackt ist besser. Und wenn die mal Milben haben, dann können die Menschen sie gleich viel besser mit Milbenvernichtungsmitteln behandeln, es werden keine Federn mehr nass, und das Mittel kann auch direkt auf der Haut wirken.
Die Hühner finden das bestimmt richtig gut.Und praktisch sind die Käfige, in denen die Hühner leben… Die Hühner brauchen nur den Kopf zu heben, dann können sie gleich aus einem Nippelchen trinken. Und bequem haben’s die Hühner. Die müssen nicht mal mehr zum Futter laufen, an ihrem Luxuskäfig fährt ein Förderband mit Futter direkt vor dem Kopf vorbei. Tolle Sache. Freilaufende Hühner draußen – die müssen scharren und kratzen und dann noch so eklige Sachen fressen wie Regenwürmer, Schnecken, Grünzeug und Körner.
Aber nicht die glücklichen Käfighühner. Die haben ja das Förderband. Und da drauf fahren dann gemahlene Körner und alles, was die Leistung fördert.
Das nennt sich „Leistungsförderer“. Ja – und fördern wollen wir die Hühner doch… Fördern ist immer gut, schon aus tierschutzrechtlichen Gründen. Aber so richtig lustig wird es für die Hühner erst, wenn sie Karussell fahren dürfen. Das fanden wir als Kinder auch immer echt spaßig. Dafür werden die Hühner dann mit den Füßen nach oben in eine Kette eingehängt.
Früher dachte ich immer, dass die Tiere das gar nicht gut finden, weil die dabei so laut schreien. Aber das stimmt gar nicht. Die schreien vor Glück. Wenn dann ihre Kehle durchtrennt wird, das tut gar nicht weh, die merken das nicht, die sind sofort tot. Jedenfalls die meisten. Kann man sich einen schöneren Tod wünschen?
Wahrscheinlich wollen die das sogar.
Ich bin mir ganz sicher, dass die Politiker und ihre Berater das alles ganz genau untersucht haben, sonst wäre das ja nicht erlaubt. Und zum Schluss fällt mir noch ein, wie klug es doch von den Hühnern war, sich die Federn auszurupfen, denn das Rupfen kann man sich ja jetzt fast ganz sparen. Kluge, glückliche Hühner.
Bis bald mal wieder.
Helma Rädeker, Ernährungsberaterin
und Züchterin, Goch
05.09.2012