Von Bienen, Honig und Honigkuchen
Bevor aus Zuckerrüben Zucker raffiniert werden konnte, waren Honig und getrocknetes Obst die einzigen Süßungsmittel. Neben dem hochbegehrten Honig war auch das Bienenwachs ein extrem kostbarer Rohstoff. Wachs wurde nicht nur für Kerzen genutzt, es wurde in mancherlei Handwerk auf vielfältige Weise eingesetzt, für Siegel, Polituren, Pflegemittel, Gussformen, Medizin, u. v. m.
Die Imker waren ein besonderer Berufsstand: Da sie sich und den Honig vor dem Bären verteidigen mussten, hatten sie früher das Recht, als Waffe eine Armbrust zu tragen. Die Nürnberger Imker gaben dafür auch dem Kaiser das Geleit durch den Nürnberger Reichswald. Imker galten als Einzelgänger, auch, weil das summende und evtl. stechende Bienenvolk neugierige Zuschauer auf Abstand gehalten hat.
Lange Tradition
Erste schriftliche Zeugnisse von kleinen gewürzten Honigkuchen entstanden um 350 v. Chr. Für den römischen panis mellitus wurde Honig auf einen Kuchen gestrichen, dann mit dem Kuchen mitgebacken; doch bereits die Ägypter haben honiggesüßte Kuchen gekannt. Im Mittelalter wurden in den Klöstern sehr einfache Lebkuchen gebacken, die sich lange lagern ließen und in Notzeiten verteilt wurden. Anders als heute wurde der Lebkuchen nicht nur zur Advents- und Weihnachtszeit verzehrt, sondern auch zu Ostern oder anderen Zeiten. Diese Lebkuchen waren ein Bestandteil der Fastenküche.
Mit der Zeit wurden die Rezepte aufwändiger und immer mehr verfeinert. Aus der Fastenspeise wurde ein Luxusgebäck. Auch das Magenbrot, das wir von der Kerb her kennen, hat hier seinen Ursprung. Da für die Herstellung teure und seltene Gewürze aus fernen Ländern benötigt wurden, haben vor allem Städte an bedeutenden Handelsknotenpunkten lange Traditionen mit Lebkuchen und Honiggebäck. Außer Nürnberg auch Augsburg und Ulm, Aachen (Printen) und Braunschweig (Honigkuchen), Basel und Bern (Leckerli). Dresden und Leipzig dürfen wir hier ebenfalls einreihen, auch wenn die meisten Stollen heute ohne Honig gebacken werden. Viele der regionalen Spezialitäten sind heute international bekannt und tragen geschützte Bezeichnungen.
Abgesehen vom Gewürzhandel war eben der Honig ein ausschlaggebender Rohstoff und hier waren die Regionen im Vorteil, in denen Imker viele Völker betreuen konnten. Die Nürnberger Imker im Reichswald wurden bereits erwähnt, die Imker aus der Lüneburger Heide versorgten die Braunschweiger Bäcker, die Aachener bezogen ihren Honig aus der Eifel. In der Nähe vieler der genannten Städte finden wir heute noch Bieneninstitute, an denen Berufs- und Freizeitimker ausgebildet werden.
Honig spielt in der Weihnachtsbäckerei nach wie vor eine große Rolle, weil Kristallzucker in den wasser- und fettarmen Gebäcken schnell auskristallisieren würde. Mit der Erfindung des Kunsthonigs (Invertzuckercreme) und des Glucosesirups stehen der Industrie zwar andere Zucker zur Verfügung, aber keine echte Honig-Alternative.
Zurück zu den Bienen
Auch als ehemaliger Imker kann ich das Wesen der Biene nicht in Worte fassen, aber ich biete Ihnen dafür ein paar Zahlen an: Ein Biene wiegt 0,1 g. Sie sammelt an einem Sommertag 40 mg Nektar und 20 mg Pollen. Dazu befliegt sie 200 – 300 Blüten. Für zwei Gläser Honig, also 1 kg, müssen 3 kg Nektar eingetragen werden. Dazu besuchen die Bienen 4 – 14 Millionen Blüten. Die dabei zurückgelegte Flugstrecke reicht sechsmal um die Erde.
„Nichts gleicht der Seele so sehr wie die Biene; sie fliegt von Blüte zu Blüte, wie die Seele von Stern zu Stern und sie bringt den Honig heim, wie die Seele das Licht.“
Victor Hugo
Gehen wir darum achtsam mit diesem kostbaren und köstlichen Material um. Wir alle sind von der Arbeit der Bienen abhängig, auch wenn wir keinen Honig essen. Der sprichwörtliche Bienenfleiß sorgt durch die Bestäubung unserer Kultur- und Wildpflanzen für Obst, Früchte und Samen. Dadurch ist die Biene nicht nur ein Symbol des Fleißes, sie steht auch für die Erneuerung und Wiedergeburt.
Danke den Bienen für ihre Arbeit.
Manfred Heßel, Diplom-Ökologe
29.05.2017