Vitamin E

Zusammenfassung

Sonnenblume und -ölVitamin E ist ein Sammelbegriff für acht chemisch eng verwandte, fettlösliche Verbindungen, deren wichtigster Vertreter das α-Tocopherol darstellt.
Vitamin E kann weder von Pferden noch von Hunden selbst hergestellt werden, es ist also essentiell und muss im Futter enthalten sein.

Vitamin E spielt als Antioxidans eine bedeutende Rolle für den Schutz der Zellmembranen vor Schädigungen durch Oxidation und Bildung freier Radikale. Vitamin E wird nur von Pflanzen synthetisiert. Hochwertige Pflanzenöle enthalten reichlich Vitamin E, auch Saaten und Getreidekeime sind gute α-Tocopherolspender. Natürliche Mangelerscheiningen kommen bei Pferden und Hunden offensichtlich selten vor. Mangelnder Weidegang und überlagertes Heu in der Pferdefütterung  bzw. die Verabreichung großer Mengen Öle mit hohem Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren können allerdings zu Vitamin E-Defiziten bei Pferden und Hunden führen. Hauptmangelsymptome sind Leistungsabfall, Müdigkeit, Degeneration der Skelettmuskulatur, Muskelschwäche bzw. Muskelabbau und Fruchtbarkeitsstörungen.

Allgemein

Vitamin E ist eine Sammelbezeichnung für acht natürlich vorkommende fettlösliche Verbindungen, die Tocopherole (α-, β-, γ- und δ-Tocopherole) und Tocotrienole (α-, β-, γ- und δ-Tocotrienole). Vitamin E kann weder von Pferden noch von Hunden selbst hergestellt werden, es ist also essentiell und muss im Futter enthalten sein. Vit. E ist ein fettlösliches Vitamin.

Die zentrale Bedeutung des Vitamin E liegt in seiner Wirkung als Antioxidans zum Schutz von Zellen, Geweben und Organen. Die wichtigste in der Natur vorkommende Vitamin E-Form  mit der größten biologischen Aktivität ist das α-Tocopherol. Die Struktur des α-Tocopherols wurde 1938 entdeckt, die Tocotrienole erst 1956 beschrieben. Neuere Studien belegen eine hohe Vitamin-Aktivität auch der Tocotrienole. Natürliches Vitamin E hat eine doppelt so hohe Wirkung wie synthetisch hergestelltes. Vitamin E wird nur von photosynthetisch aktiven Pflanzen und Cyanobakterien (Blaualgen) gebildet und ist in allen Zellmembranen angereichert.

Vorkommen

Vitamin E ist ein relativ hitzestabiles Vitamin, reagiert gegenüber UV-Strahlung und Sauertoff jedoch empfindlich. Je nach Jahreszeit variiert der Gehalt in Nahrungsmitteln:

Junge, schnell wachsende Pflanzen haben geringere α-Tocopherolgehalte als langsam wachsende oder ausgewachsene Pflanzen. Dunkelgrüne Pflanzenteile weisen den höchsten Vitamin E-Gehalt auf, in gelben Pflanzengeweben, Stängeln, Wurzeln und Früchten grüner Pflanzen ist die Vitamin E-Konzentration geringer. Dies spiegelt sich beispielsweise im Vitamin E-Gehalt der Milch wider, der im Frühjahr deutlich niedriger liegt als im Herbst.

Hauptquellen für Vitamin E sind Pflanzenöle (Weizenkeimöl und Sonnenblumenöl haben einen sehr hohen Anteil an Vitamin E) und Keime. Auch Gras, Klee, Luzerne und verschiedene Saaten (Leinsaat, Sesamsaat, Hanfsaat), Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne und Nüsse sind gute Vitamin E-Lieferanten. Getreide enthält überwiegend Tocotrienole, genauso wie Palmöl und Reiskleie.  

Für Pferde muss der Bedarf an Vitamin E über Pflanzen gesichert sein, Hunde erhalten das über die Nahrungskette in tierische Nahrungsmittel gelangte Vitamin E, z. B. in Leber, Fleisch, Eiern und Milch. Auch Butter und Margarine sind Vitamin E-haltig. Allerdings ist der α-Tocopherolgehalt tierischer Nahrungsquellen deutlich niedriger und schlechter bioverfügbar als in Nahrung pflanzlichen Ursprungs.

Aufnahme und Verwertung

Nach Aufnahme über das Futter wird Vitamin E wie alle fettlöslichen Vitamine zusammen mit Nahrungsfetten und Gallensäuren im Dünndarm resorbiert. Ein Verdauungsenzym der Bauchspeicheldrüse (Pankreasesterase) spaltet das als Tocopherylester aufgenommene Vitamin E, so dass sich freies α-Tocopherol bildet. Dieses gelangt über Micellen (Transportkügelchen, die fettlösliche Substanzen in wässriger Lösung transportfähig machen) in die Darmschleimhautzellen. Hier erfolgt die Aufnahme des  α-Tocopherols in Chylomikronen (Fett-Eiweißverbindungen) um weiter über die Lymphe und das Blut zur Leber transpotiert zu werden.

In der Leber wird α-Tocopherol an ein spezifisches Transportprotein (TTP) gebunden, aber auch in VLDL (very low densitiy proteins) eingelagert und auf diesem Weg über das Blutsystem in die Zielgewebe (Depotfett, Muskelgewebe, Herz, Nervensystem u. a.) geleitet. Der genaue Mechanismus von Transport und Verteilung des Vitamin E auf die Zielzellen bzw. der Weg innerhalb der Zellen ist noch nicht vollständig geklärt. Hauptspeicherorte für α-Tocopherol sind Fettgewebe und Muskulatur. Die Ausscheidung von Vitamin E erfolgt überwiegend mit dem Kot. Voraussetzung für die vollständige Vitamin E-Resorption ist eine intakte Bauchspeicheldrüse, gute Leber-und Gallenfunktion und eine gesunde Darmflora des Tieres.

Wirkungen

Die Hauptfunktion des Vitamin E ist der Schutz der Zellen vor oxidativen Schädigungen. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren in den Zellmembranen werden durch α-Tocopherol vor Oxidation durch freie Radikale (Lipidperoxidation) geschützt, d. h. die Zellmembranen werden vor Abbau, Zerstörung und dadurch bedingten  Zellfunktionsstörungen bewahrt. Bei diesem Oxidationsprozess wird α-Tocopherol selber zum Radikal. Allerdings ist dieses Vitamin E-Radikal deutlich reaktionsträger als die Fettsäureradikale, so dass die Kettenreaktion der Lipidperoxidation in den Zellmembranen unterbrochen wird. Die Regeneration des Vitamin E-Radikals erfolgt sowohl durch Vitamin C als auch durch das selenabhängige Glutathionsystem: Vitamin C reduziert  das Tocopherylradikal zu Vitamin E und wird wiederum selber zum Radikal. Glutathionperoxidase, ein Enzym, das Selen als Kofaktor (Hilfsprotein) benötigt, regeneriert das Vitamin C-Radikal zu Vitamin C. Hinsichtlich des Zellschutzes vor Lipidperoxidation besteht ein enger Synergismus (Zusammenwirken) von Vitamin E, Vitamin C, Glutathion und dem Spurenelement Selen.  

Vitamin E schützt nicht nur mehrfach ungesättigte Fettsäuren der Zellmembranen, sondern auch Vitamin A, freie Fettsäuren und schwefelhaltige Aminosäuren (z. B. Methionin, Cystein) vor oxidativer Schädigung.

Eine weitere wichtige Funktion des Vitamin E liegt in seiner antithrombotischen Wirkung, da es die Adhäsion (Anhaftung) von Blutzellen an den Gefäßwänden  hemmen kann. α-Tocopherol beeinflusst außerdem die Entwicklung des Nervensystems ebenso die Regulierung der Funktionen der Fortpflanzungsorgane. Vermutlich spielt Vitamin E auch eine bedeutende Rolle für das zelluläre Wachstum und die Zelldifferenzierung. Beobachtet wurde die Fähigkeit von Vitamin E, die Plaquebildung bei Arteriosklerose zu hemmen, indem es die Oxidation der Arteriosklerose-begünstigenden LDL reduziert.

Bedarf und Mangelerscheinungen

Der Bedarf an α-Tocopherol ist einerseits abhängig vom Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Futter und andererseits vom Spurenelement Selen: Da α-Tocopherol sowohl im Futter als auch im Verdauungstrakt der Tiere als Antioxidans wirkt, steigt der Vitamin E-Bedarf mit dem Fettanteil im Futter (z. B. in der Pferdefütterung bei viel Kraftfutter und wenig Raufutter). Gleichzeitig wird mehr Selen über das Glutathionsystem für die Regeneration des α-Tocopherols und die Beseitigung der bei der Oxidation entstehenden toxischen Peroxide benötigt.
Ausreichend Vitamin E im Futter kann den Selenbedarf senken und umgekehrt der Vitamin E-Bedarf durch ein genügendes Selenangebot gemindert werden.

Laktierende Stuten und Hündinnen, Fohlen und Welpen haben einen höheren Vitamin E-Bedarf. Bei verstärkten Leistungsanforderungen ist der Bedarf an α-Tocopherol im Futter ebenfalls größer. Eine bedarfsdeckende Fütterung bzgl. Vitamin E bedeutet z. B. für Pferde viel Weidegang in den Sommermonaten und qualitativ gutes Heu zu allen Jahreszeiten.

Bei längerer unsachgemäßer Lagerung (Sonnenlicht und Feuchtigkeit zerstören Vitamin E) reduziert sich der Vitamin E-Gehalt im Heu. Auch Silierprozesse  schädigen Vitamin E. Heulage weist praktisch kein α-Tocopherol mehr auf. Bei Kraftfutterzusatz (z. B. Hafer) sollte das ganze Korn oder frisch gequetschter Hafer gegeben werden, da das im Keim enthaltene Vitamin E durch das Quetschen zerstört wird. Länger gelagerter Quetschhafer wird ranzig.

Für Pferde und Hunde sind Vitamin E-haltige Saaten wie frisch geschrotete Leinsaat, Hanfsaat und Sesamsaat sowie geschroteter Schwarzkümmel und  ganze Sonnenblumenkerne eine schmackhafte, ergiebige und natürliche Vitamin E-Supplementierung.

Auch in geringen Mengen gegebene hochwertige, kaltgepresste Pflanzenöle stellen eine Vitamin E-Ergänzung im Pferde- und Hundefutter dar, sofern es sich um einwandfreie Qualität handelt. Pferde reagieren offensichtlich empfindlicher auf ranzige, verdorbene Ölsäuren als Hunde. Es gilt zu bedenken, dass unverdaute Ölsäuren die Dickdarmflora schädigen und die Nährstoffresorption über die Dünndarmschleimhaut behindern können. Nicht verwertete Ölsäuren müssen über die Haut ausgeschieden werden (glänzendes Fell).

Reine Stallhaltung bei Pferden und die Verfütterung überlagerten Heus kann einen Vitamin E-Mangel hervorrufen. Auch Leber- und Gallenerkrankungen hemmen die Vitamin E-Aufnahme wegen der gestörten Fettresorption. Eine gesunde, intakte Darmflora ist grundsätzlich Voraussetzung für eine bedarfsdeckende Resorption dieses Vitamins.

Ein α-Tocopherolmangel kann sich in Müdigkeit und Leistungsschwäche, Muskelschwäche, Muskelverspannungen und Muskelschäden an Herz- und Skelettmuskulatur zeigen. Vitamin E wird auch "Muskelvitamin" genannt. Ebenso können eine verringerte Fortpflanzungsfähigkeit und Störungen in der Entwicklung des Nervensystems die Folge sein.

Eine Überdosierung ist bei Hunden und Pferden offensichtlich nicht bekannt. Bei vermehrter Fettfütterung muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Bedarf an Vitamin E und Selen entsprechend steigt

Dr. Frauke Garbers, Biologin

Quellen

Biesalski, H.K. (1997): Vitamine. Bausteine des Lebens, München: Beck
Biesalski, H.K. (2002): Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe. Prävention und Therapie mit Mikronährstoffen, Stuttgart New York: Thieme
Bender, Ingolf, Ritter (2008): Praxishandbuch Pferdefütterung, Stuttgart: Kosmos
Case, Linda P.., Carey, Daniel P., Hirakowa, Diane A. (1999): Ernährung von Hund und Katze, Stuttgart New York: Schattauer
Fritz, Christina (2012): Pferde fit füttern, Schwarzenbek Cadmos
Engelhardt, Wolfgang v., Breves, Gerhard (2000): Physiologie der Haustiere, Stuttgart: Enke
www.vitalstoff-lexikon.de
www.wikipedia.org/wiki/Tocopherol
www.best-for-pet.de
www.tocotrienole.ch





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