Wenn der Jäger auf den Hund zielt
Welchem Hundehalter ist nicht der Satz bekannt: „Na, wenn der Jäger den Hund hier frei laufen sieht, dann schießt er ihn ab.“ Diese pauschale Aussage soll an dieser Stelle überprüft werden.
Zunächst stellt sich natürlich die Frage: Wo darf der Hund überhaupt noch frei laufen? In welchem Gebiet steht einem Jäger das viel gefürchtete Abschussrecht überhaupt zu? Der deutschte Wald steht den Bürgerinnen und Bürgern gemäß dem Landesforstgesetz NRW offen.
Ausdrücklich verboten ist z. B. das Betreten von Forstkulturen und Pflanzgärten. Ansonsten ist das Betreten des Waldes zum Erholungszweck jederzeit gestattet. Im Wald darf der Hund auch mitgeführt werden. Gesetzlich geregelt ist hier nur, dass der mitgeführte Hund abseits der Wege angeleint sein muss. Insofern darf der Hund auf den Wegen grundsätzlich unangeleint laufen, es sei denn, aus anderen Landesgesetzen oder Verordnungen und Satzungen, z. B. dem Landeshundegesetz, ergibt sich eine Leinenpflicht bzw. ein Maulkorbzwang für bestimmte Hunde.
In der freien Landschaft gibt es kein allgemeines Betretungsrecht. Dennoch dürfen öffentliche Straßen und Wege genutzt werden. Grundsätzlich ist auch das Betreten von privaten Wegen, Wirtschaftswegen, sowie der Feldraine, Böschungen, Brachflächen und anderer landwirtschaftlich nicht genutzter Flächen zum Erholungszwecke auf eigene Gefahr gestattet. Eine Regelung die Hunde betreffend geht aus dem Landschaftsgesetz nicht hervor, ein Anleingebot kann sich also allenfalls aus den Landeshundegesetz der Länder bzw. örtlichen Rechtsvorschriften ergeben.
Aus dieser Erlaubnis ergibt sich gleichwohl, dass der Spaziergang, auch ohne Hund, über bewirtschaftete Wiesen und Felder oder Stilllegungsflächen, auch landwirtschaftlich genutzte Flächen, grundsätzlich verboten ist. Hier bedarf es für eine Nutzung der Erlaubnis des Eigentümers bzw. des Nutzungsberechtigten. Handelt es sich z. B. bei einer Wiese um eine verpachtete Fläche eines Jagdbezirkes, bedarf es der Erlaubnis des Jagdausübungsberechtigten, die dieser in der Regel nicht erteilen wird. Betreffend bestimmter Landschafts- und Schutzgebiete gelten Sondervorschriften, die in der Regel durch Beschilderung bekannt gegeben werden.
Aus dem Landeshundegesetz NRW ergibt sich eine allgemeine Anleinpflicht für innerörtliche Bereiche, z. B. Innenstadtgebiete, Kinderspielplätze und öffentliche Gebäude. Für die sog. großen Hunde (ab 40 cm oder ab 20 kg) gilt darüber hinaus eine Leinenpflicht außerhalb des eingefriedeten Grundstücks, auf allen öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, wenn diese innerhalb der bebauten Ortsteile liegen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Vorschriften betreffend der sog. „gefährlichen Rassen“.
In diesen o. g. Gebieten handelt es sich in der Regel nicht um Jagdbezirke, so dass ein Jäger in diesen Gebieten keine anderen Befugnisse hat als jeder andere Bürger. Ihm kommt keine aufsichtsführende Stellung zu, ein Abschussrecht steht ihm nicht zu. Der Jagdschutzberechtigte darf nur bei Verstößen gegen jagdrechtliche Vorschriften einschreiten. Bei Verstößen gegen sonstige o. g. Rechtsvorschriften (z. B. Verstoß gegen das Landeshundegesetz etc.) gelten dessen Befugnisse nicht.
Das Bundesjagdgesetz (BJG) und das Landesjagdgesetz (LJG – NW) schließlich enthalten Regelungen bezüglich freilaufender Hunde im Jagdrevier. Es ist Aufgabe des Jagdschutzes, das Wild nach Möglichkeit vor Gefahren zu schützen gemäß § 23 BJG. Von diesem Jagdschutz umfasst ist auch der Schutz vor Raubzug, insbesondere vor freilaufenden wildernden Hunden. Dazu können Hunde gehören, die aufsichtslos sind und wildern (weil z. B. von zu Hause ausgebüchst) oder freilaufende Hunde, die sich außerhalb der Einwirkungsmöglichkeit des Hundeführers befinden und wildern.
In § 25 LJG – NW ist der Schutz des Wildes vor wildernden Hunden geregelt. Schließlich sollten wir als Hundehalter eins bedenken: Das Wild muss geschützt werden. Gerade im Winter, wo die Tiere durch die Kälte und das oft knappe Futterangebot bereits geschwächt sind, kann eine Verfolgungsjagd durch einen Hund zur völligen Erschöpfung und schließlich zum Tod des Wildtieres führen. Für ein trächtiges Wildtier kann eine Verfolgungsjagd dazu führen, dass es zu einer Totgeburt kommt. Aus diesem Grunde räumt das Landesjagdgesetz dem Jagdausübungsberechtigten auch die Möglichkeit ein, einen wildernden Hund abzuschießen.
Dabei muss der Abschuss stets die letzte aller Maßnahmen zum Schutze des Wildes vor einer konkreten Gefährdung sein. Eine solche konkrete Gefährdung ist in der Regel eben der wildernde Hund. Als wildernd gelten Hunde, die im Jagdbezirk außerhalb der Einwirkung ihres Führers Wild aufsuchen, verfolgen oder reißen, und Katzen, die im Jagdbezirk in einer Entfernung von mehr als 200 m vom nächsten Haus angetroffen werden.
Ein einfach nur freilaufender Hund im Jagdrevier, der nicht wildert, darf nicht abgeschossen werden. Als andere geeignete Maßnahmen kommen insbesondere ein Verscheuchen oder Einfangen des wildernden Hundes oder ein Gespräch mit dem Hundehalter in Betracht.
Im Falle eines Abschusses obliegt es dem Schützen, das Vorliegen aller Voraussetzungen darzulegen und auch zu beweisen. Das Abschussrecht an sich steht nur dem Jagdausübungsberechtigten, dessen Jagdgästen mit besonderer Erlaubnis sowie dem betreffend dieses Reviers bestätigten Jagdaufseher zu. Bei einem ungerechtfertigten Abschuss ergibt sich ein Entschädigungsanspruch des Hundehalters in Geld.
Doch was nutzt einem die Feststellung des Gerichts, dass der Abschuss unrechtmäßig war / ist und man Schadensersatz erhält, wenn das geliebte Tier getötet wurde? Die Tragödie an sich lässt sich nicht wieder gut machen.
Insofern rate ich Ihnen als Rechtsanwältin, vor allem aber als Hundhalterin: Vermeiden Sie es unbedingt, dass Ihr Hunde dem Wild nachstellt und / oder wildert. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die meisten Jäger selbst Hundeliebhaber sind und sicherlich höchst ungern, das unterstelle ich an dieser Stelle, einen Hund erschießen, gleichzeitig aber auch ihre sehr wichtige Aufgabe u. a. der Hege und Pflege des Wildes wahrnehmen müssen. Ebenso liegt es den meisten Hundehaltern wohl fern, Ihren Hund absichtlich und in böser Absicht jagen zu lassen.
In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich.
Andrea Cherrier, Rechtsanwältin,
Eschweiler
15.03.2012