Von den Toten auferweckt

Bei unserem neun Monate alten Kater Rufus, einem liebenswürdigen Rüpel, war die Männlichkeit erwacht. Rufus lebt zusammen mit seiner Schwester Milli seit Juli 2015 bei uns im Hause. Beide haben Freigang, wann immer sie wollen. Wir wohnen ländlich. Damit er nun auch weiterhin im Haus bleiben darf, blieb uns nichts anderes übrig, als ihn kastrieren zu lassen. Ein kleiner Eingriff, dachten wir, und vereinbarten einen Arzttermin.

Auf der Fahrt dorthin schimpfte er mächtig. Die Enge und das Rütteln und Schütteln waren ihm nicht geheuer. Auch meine freundliche Stimme konnte ihn nicht beruhigen. Da waren wir froh, dass er sofort seine Betäubungsspritze bekam und einschlief.

Nach zwei Stunden holten wir ihn wieder ab. Er war völlig abwesend.

Nachdem wir wieder zuhause waren, habe ich ihn nie länger als einige Minuten aus den Augen gelassen und immer wieder die Atembewegungen kontrolliert. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Er erholte sich zu langsam.

Am frühen Nachmittag so gegen 15 Uhr geschah es. Ich saß im Esszimmer und las, neben mir auf dem Teppich lag Rufus. Als ich wieder mal auf ihn schaute, sah ich keine Atembewegungen mehr an seiner Flanke. Ich sprang auf, hob seinen Kopf an, und der fiel mir sofort aus der Hand. Ich sah seine Lefzen, die waren blau, seine offenen Augen leer, und er atmete nicht mehr. Rufus war tot.

Ich habe nicht nachgedacht, was zu tun sei, sondern ganz spontan gehandelt, wie fremdgesteuert. Ich habe ihn angeschrien, seinen Namen gerufen, ihn kräftig geschüttelt – keine Regung. Dann habe ich den Brustkorb heftig zusammengedrückt, wohl fünfmal hintereinander, und dies mehrmals wiederholt. Und da geschah das Wunder. Es ging ein Ruck durch seinen Körper, er hob etwas den Kopf. Rufus war wieder bei uns.
Ein paar Minuten später, und es wäre zu spät gewesen. 

Rufus geht es jetzt wieder gut. Er ist so fröhlich und temperamentvoll wie zuvor. Ich sage ihm oft, wie sehr wir uns freuen, dass er zu uns zurückgekehrt ist.

Unser Rat für Sie: Ein Tier, das noch halb in der Narkose liegt, nie aus den Augen lassen, bis es wieder laufen kann. Und wenn das passiert, was Rufus passiert ist, dann handeln Sie, wie ich es getan habe.

Klaus-Rainer Töllner