Hunde
Heiß geliebt und abgründig gehasst
Manche Menschen mögen Hunde und manche eben nicht.
Das ist völlig in Ordnung. Erst einmal; denn es gibt auch eine, man kann sagen, aggressive Ablehnung des Hundes, eine, die ihn als Begleiter des Menschen nicht mehr akzeptiert.
Extreme Formen dieser Ablehnung erleben wir derzeit im fundamentalistischen Islam, etwa in Saudi-Arabien oder Iran, wo Hunde nicht nur als unrein gelten, sondern als Ausdruck westlicher Dekadenz verteufelt werden. Doch so weit müssen wir gar nicht gehen. Das Klima in unseren Medien, was unsere Hunde betrifft, ist in den letzten zehn bis zwanzig Jahren recht frostig geworden und Politiker profilieren sich wortreich und ohne Sachkenntnis, wenn angeblich Volkes Stimme ein weiteres Verbot fordert. Es gab in der gesamten Geschichte der Menschheit noch nie so viele Restriktionen gegen Hunde, wie gerade hier und heute, mitten unter uns.
Die Pedigree Studie von 2007 zeigt auf, „dass bestehende Gesetze und Verordnungen ein Leben mit Hund in Deutschland immer weiter erschweren. Eine artgerechte Hundehaltung (die u.a. Freilauf erfordert, Anm. der Redaktion) wird zunehmend unmöglich.“ „Hundehalter fühlten sich kriminalisiert und selbst Nicht-Hundehalter sähen das so“, fährt die Studie fort. Jeder Hundebiss wird heute reißerisch in der Presse vermarktet und damit alle Hunde gleichermaßen an den Pranger gestellt.
Dabei wird kaum einmal nach der Verantwortung der Halter und nie nach der Verantwortung der „Züchter“ aggressiver Hunde gefragt. Die Hundezucht ist eines der wenigen Gebiete in unserer Gesellschaft, das praktisch keiner Regulierung unterliegt. Während man gegen die Hunde selbst äußerst restriktiv vorgeht, darf sie ein jeder beliebig vermehren – ohne jegliche Restriktionen. Zuchten mit Erbkrankheiten und Qualzucht sind weit verbreitet, unabhängige Kontrollen oder gar Sanktionen gibt es nicht. Jede Salatgurke beim Discounter unterliegt einer besseren Qualitätssicherung als die Zucht unseres besten Freundes. Man kann das nur als Tierschutzskandal bezeichnen.
Ständige Hetze gegen den Hund in Deutschland
Anstatt diesen Missständen mal nachzugehen, hat Bild im Frühjahr 2011 wieder einmal den Hund als Feind ausgemacht. Nach demselben Muster hetzten die Lokalredaktionen von Hamburg, Berlin oder Köln gegen den Hund. Pauschal wird er als unerzogen dargestellt.
So textete Bild, Hamburg:
„Hunde versperren den Eingang vom Supermarkt, sind nicht angeleint, liegen im Café miefend zwischen Stühlen und kläffen, dass einem die Ohren abfallen.“ Endlich müsse Schluss sein mit der Toleranz gegenüber Hunden: „Sage und schreibe 12 Tonnen Kot fallen täglich an auf Straßen und in Büschen. Wie viel davon liegen bleibt, davon kann jeder Spaziergänger ein Lied singen“, heißt es bei Bild weiter.
Man wirft den Hunden also vor, Kot zu produzieren. Wie bitte?
Jedes Lebewesen produziert Kot, wir Menschen im übrigen mit Abstand am meisten. Und wenn Hunde auf Gehwegen ihr Geschäft verrichten, so ist das ein Fehlverhalten des Halters, zumal wenn der Haufen dann auch noch liegen bleibt.
Die breite Mehrheit mag Hunde
Dabei unterstellt das Springer-Blatt auch, dass „die schweigende Mehrheit“ gegen Hunde sei. Doch selbst bei der Online-Umfrage von Bild Berlin erklären sich 3 von 4 Teilnehmern pro Hund. In der Pedigree-Studie wird ein klares Bild der Realität gezeigt: 80% der Menschen in Deutschland finden Hunde gut und stehen der Hundehaltung grundsätzlich positiv gegenüber. Viele Menschen spüren, dass der Hund eine besondere Stellung gegenüber uns Menschen hat. Viele Menschen suchen die Nähe zum Hund. Und es ist wissenschaftlich vielfach belegt, dass sich die Hundehaltung gesundheitsfördernd auswirkt. Studien in den USA haben z.B. gezeigt, dass sich die Partnerschaft zum Hund positiv auf unseren Blutdruck auswirkt.
Hunde werden erfolgreich in der Therapie eingesetzt und erhellen den tristen Alltag mancher Altenheime. Die Bonner Psychologen um Prof. Dr. Reinhold Bergler haben ganz erstaunliche Effekte der Hundehaltung nachgewiesen, zum Beispiel, dass Schulkinder mit einem Hund als Partner besser lernen.
Hunde tun den Menschen gut
Das Urteil von Bergler und seinen Mitarbeitern ist eindeutig: „Weltweit haben zahlreiche Studien nachgewiesen, dass ein Zusammenleben mit Hunden nicht nur bei kranken, alten und einsamen Menschen, sondern gerade auch im ganz normalen Alltag stabilisierend, motivierend und aktivierend wirkt. Der Hund fördert Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen.“
Alleine zwei Milliarden Euro sollen so Jahr für Jahr an Gesundheitskosten eingespart werden. Denn Hundehalter leben gesünder, mental wie auch körperlich.
Die Begleitung eines Hundes macht den Menschen sogar sympathischer. Solche Effekte hat die Werbeindustrie seit den 1970er Jahren wissenschaftlich untersucht und nutzt sie gezielt. „Akademiker und Singles mit Niveau“ lautet das Motto der Partnerbörse des Burda-Verlages im Internet, und präsentiert wird der ideale Mann selbstverständlich mit einem Labrador-Retriever.
Manchmal nimmt diese Zuneigung auch skurrile Züge an, etwa wenn 14% aller Hundehalter der USA einen Facebook-Account haben – im Namen ihres Hundes wohlgemerkt. Dass die Affinität zum Hund tief in uns verankert sein könnte, wird auch durch eine Studie über Scheidungskinder unterstrichen: Kinder mit Hund „leiden weniger unter Verlustängsten, sind nicht so aggressiv und bewahren sich mehr Freude im Alltag. Sie sind ausgeglichener und fühlen sich seltener einsam.“
Die gemeinsame Arbeit von Mensch und Hund verbindet
Menschen und Hunde verbindet eine uralte Partnerschaft, die tief in die Steinzeit hineinreicht. Erst in jüngerer Zeit haben sich Verhaltensforscher, Genetiker und Archäologen mit diesem Thema ernsthaft beschäftigt. Alle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Menschen und Hunde schon vor weit mehr als 20.000 Jahren zusammenfanden und seither gemeinsam durchs Leben gehen. Dieses Zusammenleben hatte ein solides Fundament: Die gemeinsame Arbeit.
Hunde spielten schon früh wichtige Rollen bei der Jagd und dem Schutz der Familien. Der epochale Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit, die Viehhaltung, ist ohne die Hilfe des Hundes kaum denkbar. Hunde brauchte man zum Schutz und zur Kontrolle der Herden noch halbwilder Ziegen und Schafe. Hunde waren aber auch die unverzichtbaren Helfer der ersten Bergleute. In den niedrigen Stollen zogen sie das Erz ans Tageslicht und betrieben mit Treträdern die Pumpen für die Frischluft der Kumpel. Das gleiche taten sie für die Feuer der Schmiede. Und noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts waren Hunde massenhaft als Zugtiere vor die Lieferwagen des Metzgers, Bäckers oder die Milchwagen der Bauern gespannt. Hunde waren fast überall dabei, wo es nur Arbeit im Dienste des Menschen gab.
Hunde verstehen uns von allen Tieren am besten
Auf Basis dieser gemeinsamen Arbeit zum gemeinsamen Überleben entwickelte der Hund eine einmalige Fähigkeit der Kommunikation mit uns Menschen. Hunde verstehen den Menschen besser als jedes andere Tier, auch besser als jeder Menschenaffe. Diese Fähigkeit war für die gemeinsame Arbeit nicht nur hilfreich, sondern notwendig. So wundert es kaum, dass sogar Hundewelpen instinktiv auf die Kommunikation mit dem Menschen ausgerichtet sind, wie Forscher des Leipziger Max-Planck-Institutes nachweisen konnten. Die Orientierung auf den Menschen ist beim Hund bereits genetisch verankert. Und sie konnte auch nur so tief in die Hunde hineinwachsen, weil es eben über viele Jahrtausende eine so intensive, enge Zusammenarbeit mit dem Menschen und für den Menschen gab. Eine solch enge Zusammenarbeit konnte sich auch nur entwickeln, weil sie für den Menschen wichtig war, überlebenswichtig.
Unsere Ahnen wussten diese wichtige Rolle des Hundes viel mehr zu schätzen und zu achten als wir Menschen heute. Hunde hatten bis zum Mittelalter eine angesehene Rolle in den verschiedensten Kulturen.
Archäologen finden auf allen Kontinenten (außer Australien) und in allen Epochen für Hunde angelegte Gräber, häufig auch gemeinsame Gräber von Hunden und Menschen. In vor- und frühgeschichtlichen Fürstengruften sind häufig Hunde als Verzierungen angebracht. Ja, es gab sogar schon juristische Regelungen, wie in Fällen vorzugehen ist, wenn etwa der Hund des Nachbarn zugebissen hatte: „Und der Herr büße die Tat des Hundes zur Hälfte so, als er sie selbst begangen hätte.“
Durch diese Bestimmung war die Mitverantwortung des Halters für die Taten seines Hundes im Recht der Germanen verankert. Das etwa 1.500 Jahre alte Lex Baiuvariorum legt diesen Grundsatz in seinem Artikel 9 fest. Dieses alte Recht baut auf einer fairen Partnerschaft Mensch – Hund auf, und der Halter wird für die Taten seines Hundes wie selbstverständlich mit in die Haftung genommen.
Verantwortlich ist der Mensch, nicht der Hund
Das ist heute leider grundsätzlich anders geworden. Die Hunde werden verteufelt, die Halter lässt man laufen. Nach heutigem Recht hält sich der Mensch schadlos, bürdet die Verantwortung dem Hund alleine auf und stiehlt sich selbst aus der Verantwortung. Während sogar noch 20 Jahre alten Menschen die Verantwortlichkeit für ihr Handeln abgesprochen oder relativiert wird, werden Hunde voll in Haftung genommen, ohne Bewährung, ohne mildernde Umstände. Dabei ist es gerade die „schwere Kindheit“ fast aller negativ auffallender Hunde, die jedem Jugendrichter das Herz erweichen würde, wäre sie die eines Zweibeiners.
Unsere Hunde haben eine bessere Behandlung verdient. Der eigentlich Verantwortliche ist der Mensch. Es ist nicht gerade ein Zeichen von Niveau und Größe, wenn auf den Vierbeiner geschimpft wird, ein Wesen, das von ihm geformt wurde, das ihm vollkommen ausgeliefert und auf seine Fürsorge angewiesen ist.
Christoph Jung
15.02.2011