Zwei arabische Vollblüter

Eine Geschichte von El Thay Shaaban el Dine & Mashan Al Sabah

In diesem Beitrag möchte Euch Shaaban erzählen, wie es ihm, zusammen mit seinem „Bruder“ Mashan, im letzten Sommer auf einer 5 ha großen Weide mit Wald, Tag und Nacht im Freien, ergangen ist.

Früher waren beide in einem Reitstall untergebracht. Im Sommer durften sie täglich etwa 8 Stunden auf die Weide, im Winter nur 2 auf Paddock, und auch nur, wenn es das Wetter zuließ. Das war in den letzten 2 Jahren nicht so häufig, und so verbrachten sie die meiste Zeit in der Box.

Das bin ich, Shaaban. Meine Menschen nennen mich auch Shabby. Früher, als ich noch im Stall stand, habe ich mich oft gelangweilt. Ich hätte viel lieber mit meinem Bruder und anderen Kollegen draußen gespielt, aber das war nicht erlaubt. So hatte ich viel Zeit, mir kleine Gemeinheiten auszudenken z. B. beim Reiten in der Halle Rodeo spielen oder durch die Halle rasen und meine Reiter abwerfen. Das gefiel mir, das fand ich aufregend; ich war eben nicht ausgelastet.
Meinen Menschen passte das ganz und gar nicht. Damals war ich öfter mal krank, hatte immer wieder Bauchschmerzen, und wenn ich auf dem Paddock richtig „Gas gegeben“ hatte, war das für meine Beine und Gelenke nicht immer so gut.
Und dann geschah ein Wunder. Meine Menschen brachten uns beide auf eine riesige Wiese mit Kräutern, Stäuchern und Bäumen, ohne Lärm von Autos, ohne Hochspannungsmasten. Die frische Luft, der weite Blick, wunderbar, wir können tun, was uns gefällt: Laufen, spielen, schlafen, fressen.

Die Wiese ist hügelig und von einem Graben durchzogen, da können wir rennen und springen, ohne ständig von einem Zaun gebremst zu werden. Der Graben hat es uns angetan, da machen wir richtige Springübungen. Der kleine Wald bietet uns Schutz, wenn die Sonne zu heiß scheint, und vor Regen. Dort gehen wir gerne hin. Von den Blättern und Knospen der Bäume können wir naschen oder Zweige abreißen, mit uns herumschleppen und damit spielen.
Wenn es geregnet hat und die Erde so richtig nass ist, buddel ich gerne darin herum. Da ist mir dann was Komisches passiert. Ich grabe nach Wurzeln, die ich gerne fresse, und finde auch eine, und was macht meine Besitzerin?

Kommt hüpfend angelaufen und ruft immer was wie „Nein, Shabby – keinen Sand fressen, sonst bekommst du Bauchschmerzen!“ Mein Bruder hat mich ganz verdutzt angesehen, der stand neben mir und wollte auch gerade nach Wurzeln suchen. Er macht mir nämlich alles nach.
Dann ist sie bei uns und will mir die Wurzel aus dem Maul nehmen, aber ich halte sie fest, denn die sind echt lecker. Und ich kriege unerwartete Hilfe. Ihr Mann ruft sie zurück und sagt, sie solle mich in Ruhe lassen, der weiß schon, was er fressen darf und was nicht.
Ich habe ihr dann die Wurzel vor die Füße geschmissen, die kann sie ja selbst mal probieren, schmeckt wirklich gut. Leider kontrolliert sie alles, was ich an Gräsern und Kräutern finde und fresse. Sie hat große Angst, dass giftige Pflanzen dabei sein könnten. Sie hat sich Bücher über Gräser und so gekauft und rennt damit durch unseren Weidegarten. Die liest alles nach. Wirklich komisch, ich dachte immer, die Menschen wüssten viel, aber die haben keine Ahnung. Dabei brauche ich doch auch Kräuter und Äste zum Fressen.

Unter einem Baum ist ein Sandplatz, den habe ich erst einmal vergrößert, denn der war für uns zwei viel zu klein. Darin nehmen wir immer ein schönes Sandbad. Wenn es geregnet hat, wird daraus halt ein Schlammbad, und wir wälzen uns darin mit Mähne und Kopf. „Du siehst ja wieder aus“, ruft meine Besitzerin. Ja, so sehe ich aus und finde das auch richtig gut. Es schützt mich nämlich vor Fliegen und Bremsen und ist meine Tarnfarbe.

So, jetzt muss ich noch einmal mit meinem Bruder einen Rundgang um unseren Weidegarten machen, vielleicht kurz an der Heuraufe ein Maul voll Heu fressen. Hallo, da ist doch was auf unserer Wiese. Das muss ich sofort kontrollieren, lade ja nicht jeden zum Essen ein. Ein Kaninchen. Ich schleiche mich mal ran, und dann galoppiere ich los und jage es ein wenig. Das macht so richtig Spaß.

Und nun etwas trinken aus unserem Bach. Dafür müssen wir über eine Holzbrücke gehen. Auf der anderen Seite gibt es auch noch leckeres Gras. Mein Bruder traut sich mal wieder nicht, und ich muss auf ihn warten. Na, komm schon, alles geprüft, die Brücke hält sogar, wenn die Rinder darüber gehen. Apropos Rinder, die sind auch oft auf unserer Weide. Die Kleinen schlafen noch viel und haben am Ohr so Plastikteile. Ja und da bin ich zu einem hin, es schlief gerade, und Mama Kuh war nicht in der Nähe. Ich habe dem Kleinen an dem Plastikteil das Ohr langgezogen. Mein Bruder hat es mir gleich nachgemacht und das Kälbchen noch geschubst. Da ist es aufgesprungen und blökend zu seiner Mama gelaufen. Weichei!

Wenn wir zum Stall wollen, müssen wir über eine Brücke und dann an einer Straße entlang gehen. Da ist immer was los. Letztens war Harleytreffen in Hamburg, und fast alle Motorräder fuhren über unsere schöne Heidestraße, wo wir gerade lang gingen. Das war vielleicht ein Lärm. Zugegeben, früher hat mich das gestresst, und ich bin schon mal auf die Straße gehüpft, aber heute sehe ich das gelassen, es interessiert mich nicht mehr.
Nächsten Sommer dürfen wir wieder auf diese wunderschöne Weide. In der Zwischenzeit sind wir in einem Bewegungsstall. Der ist noch nicht ganz fertig, mal sehen wie das so wird. Nur bitte keine Box mehr.

Ihr seht, wir haben unseren Menschen gezeigt, wie wir leben wollen. Solltet Ihr damit noch Probleme haben, gebt mir Bescheid. Ich weiß jetzt, wie man sie dazu bekommt, dass sie einem zuhören, z. B. immer wieder Bauchschmerzen bekommen, wenn man geknastet wird. Warum werden wir eigentlich in den Knast geschickt? Wir haben doch gar nichts verbrochen. Wir sind Herden- und Lauftiere und brauchen einen offenen Himmel und viel frische Luft!
Übrigens: Ich veranstalte jetzt beim Reiten kein Rodeo mehr und meinen Arzt habe ich auch erst vor kurzem mal wieder gesehen. Aber nicht weil ich krank war, nur so. Er meinte, wir sähen aber sehr zufrieden und gesund aus.




Bilder der beiden auf der Weide:
Shaaban, 9 Jahre und Mashan, 5 Jahre







Mandy Edelmann, Rosengarten

01.03.2012

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