Weidenbäume

(Botanischer Name: Salix spec. alba, purpurea)

Es gibt etwa 300 bekannte Weidenarten, von denen die Silberweide und die Purpurweide wohl die bekanntesten sind. Bei allen Weiden erscheinen die Blüten als „Weidenkätzchen“ vor oder mit dem Austreiben der Blätter. Die fließende, bewegliche Form der Weide zeigt ihre Wesensverwandtschaft zu dem Wasserelement.

Weiden brauchen feuchten Boden. Sie wachsen daher gerne an Gewässern und vertragen auch längere Überschwemmungen. An den Flüssen bilden sie Weichholzauen, die bei Hochwasser, Unterspülungen und Abschwemmungen schnell wieder neu austreiben und so die Ufer befestigen. Auch aus diesem Grund werden sie zur Befestigung von Dämmen, Böschungen und abrutschgefährdeten Hängen angepflanzt, da sie mit ihrem schnellen Wachstum den Boden festigen durch ihre bis zu 2 m tiefen, verzweigten Wurzeln für Stabilität sorgen können.

Die Weide ist der Göttin der Fruchtbarkeit der Erde geweiht. Von Asien bis Nordamerika nutzt man Weiden für heilige Riten und als sexuelle Stimulantien, wobei die jungen Ruten, die frischen Blätter im Frühling und besonders die pollenreichen Kätzchen der männlichen Blüten verwendet werden.

Weiden im Volksglauben

Die Weide war im Volksglauben der Baum der Hexen und Geister und hatte den Ruf, Unfruchtbarkeit und Impotenz zu bewirken. Sie wurde deshalb immer mit Kummer und verlorener Liebe verbunden. Das Verbrennen von Weidenholz brachte Unglück!

SilberweideHinter diesem Widerspruch verbirgt sich wohl eine vergebliche Dämonisierung eines spirituellen Kraftbaumes, den die Kirche dann selbst in den Riten des Palmsonntages integrierte. Denn die Weide war – und ist – ein heilender Baum, der sogar die Fähigkeit besaß, Unheil und Krankheit durch einen Zauberspruch auf sich zu nehmen. Man stellte sich dazu in die hohlen Weidenstämme und „verbannte“ seine Krankheit (vor allem Gicht und Fieber) mit Gebeten und besonderen Bannsprüchen.

Die Druiden feierten das Fest der Wiedergeburt der Natur zur Zeit der Weidenblüten und steckten Weidenzweige in die Erde ihrer Felder, um deren Fruchtbarkeit zu erhalten. Bis heute nutzt man Extrakte aus Weidenrinde, um die Bewurzelung von Stecklingen und das Anwachsen von Jungpflanzen zu verbessern.
Und wenn wir gerade schon beim Gärtnern sind: Der deutsche Begriff Garten leitet sich etymologisch von Gerte ab. Gemeint sind Weiden oder auch Haselnussruten, die als geflochtener Zaun den Garten einfriedeten. Das Wort gerd, gard bezeichnet ursprünglich „das (mit Gerten) umzäunte Gelände“, das niederländische Wort tuin (Zaun) für Garten geht auf eine ähnliche Entwicklung zurück. Die von einem lebenden Zaun – also von einer Hecke – umstandenen Flächen wurden als Hag bezeichnet. Darüber habe ich bereits beim Weißdorn/Hagedorn und bei der Hagebutte berichtet.

Zurück zur Weide

Ihr deutsche Name stammt aus dem Althochdeutschen von wîda – „die Biegsame“. Die baumartig wachsenden Weidenarten sind in der Regel schnellwüchsig, aber auch relativ kurzlebig. Weiden bilden kräftige und stark verzweigte Wurzeln und festigen so das Erdreich. Weiden sind sehr austriebfreudig. Deshalb wurden sie früher gern als Kopfweiden und heute bei der Anlage von Energiewäldern genutzt. Das gut trocknende Holz der Weiden ist weiß oder rötlich. Es ist biegsam, sehr leicht, zäh und faserig. Die Laubblätter der Weiden sind sehr unterschiedlich. Die Form reicht von beinahe kreisrund bis schmal und lanzettförmig. Bei vielen Arten sind die Blätter hellgrün, und an der Blattunterseite lässt sich – bis auf wenige Ausnahmen – immer eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Behaarung erkennen.

Kopfweide in der Siegaue vor dem Rückschnitt

Korbweiden

Die elastischen Zweige werden für Flechtarbeiten benutzt, je schlanker die Blätter, umso elastischer die Zweige. Kopfweiden entstehen durch regelmäßigen Rückschnitt und der daraus resultierenden Kopfbildung. Recht früh erkannte der Mensch das hohe Ausschlagvermögen der Weiden: So wurden in Mitteleuropa bevorzugt Silber- und Korbweiden als sog. „Kopfweiden“ gehalten, indem sie alljährlich bis zum Stamm zurückgeschnitten wurden. Die lang austreibenden Gerten dienten zu allerlei Flechtwerk, insbesondere zu Körben, oder fanden Verwendung bei diversen Bindearbeiten bis hin zu Schnürsenkeln in einfachem Schuhwerk. Aus Weiden wurden außerdem Traggefäße, Krippen, Zäune und Flechtwände hergestellt.

Silberweiden werden etwa 25 m hoch und 100-120 Jahre alt. Durch vegetative Vermehrung – also durch Stecklinge oder der Neubewurzelung von abgerissenen Ästen – sind Weiden potentiell unsterblich, denn die Tochtergeneration unterscheidet sich genetisch nicht von der Muttergeneration.

Weiden als Bienenweide

Eine Biene auf einem WeidekätzchenAlle Weiden sind zweihäusig und haben männliche oder weibliche Einzelbäume. Als Frühblüher sind sie wichtige Bienenweiden, da sie Pollen und Nektar anbieten. Die meisten Frühlingsblüher sind Windbestäuber und verzichten deswegen auf die Produktion von Nektar. Weidenbäume hingegen werden von Bienen bestäubt; sie sind wegen ihres frühen Nektarangebotes für das Überleben zahlreicher Wildbienenarten existentiell. Wenn in Ihrer Region Weiden zurückgeschnitten werden, lassen Sie die Zweige eine Weile liegen, die Zweige haben noch genug Kraft, dass die Blüten aufgehen und Nektar fließt. Sie sehen das am Besuch der Insekten. Danach sind die Zweige bei den Pferden immer noch eine geschätzte Knabberei.

Weiden als Schmerzmittel

Seit der Antike ist Weidenrinde ein bekanntes Schmerzmittel, das zudem fiebersenkend, schweißtreibend und zusammenziehend (adstringierend) wirkt. Im 12. Jahrhundert empfahl Hildegard von Bingen Weidenrinde bei Gicht, Rheumatismus und zur Fiebersenkung. Im Mittelalter wurden Weidenblätter auch genutzt, um die Nieren anzuregen und Entzündungen im Nieren- und Blasenbereich zu heilen. Die Wirkungen gegen Kopfschmerzen, Krämpfe und  Menstruationsbeschwerden waren seit der Antike bekannt.

Weidenrinde in der Therapie

Verwendete Teile:

Rinde, von ein- bis zweijährigen Zweigen gesammelt. Hauptsächlich Salix alba, S. purpurea, S. daphnoides

Pharmazeutische Bezeichnung:

Salix cortex con, Weidenrinde geschnitten

Inhaltsstoffe:

Salicylate, Gehalt differiert von Art zu Art.
Neben den Salicylaten finden sich Phenolglycoside, Gerbstoffe und Flavonoide.

Wirkung:

Das Salicyn wird in der Leber nach und nach in die wirksame Salicylsäure umgewandelt. Wie bei allen Heilpflanzen kommt es auch hier auf das Zusammenspiel der Wirkstoffe an. Phenolische Substanzen wirken entzündungshemmend, Gerbsäuren unterstützen Magen und Darm und helfen bei der Regeneration der Darmschleimhäute. Die Salicylverbindungen wirken fiebersenkend und als Gicht- und Rheumamittel schmerzlindernd, denn sie sorgen für eine bessere Durchblutung von Zellen und Geweben.

Anwendung:

Teezubereitung
In 250 ml kaltes Wasser wird ein gehäufter Teelöffel fein geschnittene Weidenrinde zum Sieden gebracht und 5 Minuten ziehen gelassen. Die abgesiebte Flüssigkeit wird abgekühlt als Tränke gegeben. Richtig zubereiteter Weidenrindentee schmeckt gut und ist gut verträglich. Nebenwirkungen wie Magenreizung werden oft auf Salicylatunverträglichkeit geschoben, liegen aber häufig am hohen Gerbstoffgehalt durch zu langes Auskochen.

Pferden und anderen Pflanzenfressern kann man die Weidenrinde trocken verfüttern oder – das sollte man bei Pferden immer machen – man verfüttert nach der Teetränke die Rückstände der Teezubereitung.

Alte Hunde mit Gelenkproblemen, Gicht oder Rheuma können regelmäßig Weidenrindentee trinken. Für Katzen sind salicylhaltige Kräuter hingegen nicht geeignet.

Wegen der blutverdünnenden und leicht schmerzsenkenden Wirkung der Weidenrinde gilt sie laut FN als Doping und darf zwei Tage vor Wettkämpfen nicht mehr gegeben werden. Gleiches gilt für das Mädesüß, das sich gut mit der Weidenrinde kombinieren lässt. Bei Pferden ist diese Kombination ein gutes Mittel bei Rehe und Mauke. Die Weitung der Kapillargefäße sorgt für einen guten Zellstoffwechsel – gerade im Bein- und Hufbereich – und gewährleistet auch den Abtransport der Stoffwechselprodukte aus dem Bein hin zu den Ausleitungsorgangen.

Loslassen und Neuanfangen

Weiden sind ausgesprochen großzügige Bäume. Ihre Überlebensstrategie ist Loslassen und Neuanfangen. Wem die innere Ruhe fehlt, wer unausgeglichen ist und Aufgestautes in sich trägt, dem hilft die Weide. Sie kühlt und erfrischt, sie löst Krämpfe und Aggressionen. Sie zeigt ihre Eigenschaften jenen, die an Gicht und rheumatischen Erkrankungen leiden und den Frauen mit starken Menstruationsschmerzen.

Weidenrindentee und das Räuchern mit Weidenrinde wirken krampflösend und beruhigend; Imker nutzen den Rauch aus Weidenrinde zur Beruhigung ihrer Bienenvölker. Der Rauch aus Weidenrinde spricht den Mond und die Wasserelemente an.

Verhärteten, in sich zurückgezogenen Menschen und Tieren sind Weidenprodukte oft eine sehr große Hilfe. Sie lösen auf, lassen in die Ferne schweifen und ermöglichen neue Blickwinkel und Betrachtungen. Weide befreit und erneuert, sie bejaht das Leben, indem sie loslässt, sich nicht festklammert und den Neuanfang wagt.

Manfred Heßel, Diplom-Ökologe und Phytotherapeut

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