Ein Plädoyer für die Freiheit der Katze
Geborgenheit, das sind offene Arme, die einen umfangen, so dass man sich sicher, aber nicht eingeengt fühlt. (Marla Lennard)
Wohnungshaltung oder Freigang – an dieser Frage scheiden sich die Ansichten der Katzenliebhaber oft ganz gewaltig. Ich möchte hier für den absolut unbegrenzten Freigang der Katzen ein gutes Wort einlegen, denn das haben die Samtpfoten bitter nötig.
Eine neue Sichtweise
Ich liebe und bewundere Katzen – schon immer. Sie sind neugierig, verspielt bis ins hohe Alter, zart und wildzugleich, unabhängig, sensitiv und nie ganz durchschaubar. Sie haben die Gabe, uns geradewegs in die Seele zu schauen und sind weit entfernt davon, sich verbiegen zu lassen oder uns gefallen zu wollen. Ich finde das einfach wunderbar und gerade das macht sie so liebenswert! Katzen schwingen aus meiner Sicht auch energetisch sehr hoch, sind unglaublich sensibel und benötigen oft nur wenige Impulse, um wieder „heil zu werden an Körper, Geist und Seele“. Dabei spielen natürlich ein gesundes Umfeld, eine artgerechte Haltung und Ernährung sowie ein liebevolles Zuhause eine sehr wichtige Rolle.
Und ich bin sicher, auch Sie lieben Ihre Katze(n). Genau aus diesem Grund bitte ich Sie, sich einmal auf das Wesen dieser wunderbaren Geschöpfe aus einer anderen Sicht einzulassen.
Oft wird aus der Angst und Sorge um die Katze der Freigang ganz verweigert oder stark limitiert (z. B. nachts). Aus meinen Erfahrungen in der Tierheilpraxis in den letzten Jahren hat es sich immer wieder gezeigt: Katzen ohne Freigang haben deutlich mehr gesundheitliche Probleme als Freigänger (auch wenn diese sicherlich gewissen Gefahren ausgesetzt sind). Ich konnte das immer wieder nur beobachten und deutlich spüren, mir aber nicht zufriedenstellend begründen. Mein Gefühl sagte mir aber immer: Es ist gegen die Natur dieser freiheitsliebenden und eigenständigen Raubtiere (die sie nun einmal sind), sie in irgendeiner Form in ihrem Dasein einzuschränken.
Ich möchte sogar noch einen Schritt weiter gehen: Wir haben nicht das Recht dazu! Ich persönlich glaube sogar, dass wir Katzen niemals wirklich besitzen können – und das sollte auch nicht unser Bestreben sein. Auch kann kein noch so liebevolles Heim das (Er)Leben in der freien Natur ersetzen.
Die innere Uhr
Ein sehr spannender Vortrag über Chronobiologie von Dr. Peter Spork auf dem artgerecht-Symposium im September 2015 in Bad Salzschlirf hat mir dann endlich „wissenschaftlich“ bestätigt, was mein Gefühl schon immer sagte: Es ist auch gegen die innere Uhr der Katze. Und ein Leben gegen die innere Uhr schädigt die Gesundheit!
Der sogenannte circadiane Rhythmus reguliert Nahrungsaufnahme, Wärmeverlust und Wärmeschutz, welche Teile der körpereigenen Energiegrundversorgung und Verhaltensaktivität sind. Man unterscheidet die folgenden Zyklen:
- Diurnal: Aktiv während der Tageszeit (z. B. Menschen)
- Nocturnal: Aktiv in der Nacht (z. B. Katzen)
- Crepuscular: während der Morgen- und Abenddämmerungsstunden aktiv (z. B. Weißwedelhirsche)
Dem „Nachtaktivisten“ gerade nachts den Freigang zu verwehren, passt also gar nicht zur Biologie Ihrer Katze. Auch die Nahrungsaufnahme erfolgt in der Regel hauptsächlich nachts. Und auch wenn sie sich natürlich Ihrem Rhythmus anpasst (sie hat ja keine Wahl), so hat es doch weitreichende negative Auswirkungen auf die Gesundheit (!) der Katze, wenn sie entgegen ihrer inneren Uhr leben muss.
Dies betrifft übrigens auch die Fütterung: Lange Fresspausen mit nur zwei Mahlzeiten pro Tag sind der Katze nicht zuträglich. Nahrungsaufnahme zur falschen Zeit kann übrigens auch Übergewicht verursachen, denn Veränderungen der inneren biologischen Uhr unterbrechen die Signalisierung von Lipiden im Plasma, welche zu den Futterstellen des Gehirns gehen und das Verhalten verändern; dies kann zu erheblicher Gewichtszunahme führen. Und das ist es sicher nicht, was Sie für Ihre Lieblinge wollen?!
Angst überwinden
Viel Mystisches rankt sich um die Katze. Aber eines ist gewiss: Sie hat sich dem Menschen vor langer Zeit freiwillig angeschlossen. Danken wir ihr das mit dem Vertrauen und der Liebe, die sie verdient!
Sicherlich gibt es Wohnsituationen, in denen ein Freigang nur schwer oder gar nicht möglich ist, aber das sind aus meiner Sicht die wenigsten. Und so manche Rassekatze hat mittlerweile leider fast verlernt, was eigentlich in ihr steckt. Doch auch diese freuen sich oft über etwas mehr Freiraum und lernen schnell, ihn auch zu genießen.
Wo immer es also möglich ist und selbst wenn es gewisse Risiken birgt, möchte ich Sie ermutigen: Überwinden Sie Ihre Angst und schenken Sie Ihrer Samtpfote, was ihr zusteht: ein wildes und spannendes Leben voller Abenteuer, ein Ausleben aller Sinne, den Erfolg beim Beutefang (die Maus ist ja sowieso das Gesündeste, was Katzen fressen können), ein selbstbestimmtes Leben nach der inneren Uhr und im eigenen Rhythmus, nächtliche Treffen mit Artgenossen – einfach all das, was ein Katzenleben eben lebenswert macht! Seien Sie sicher, sie wird es Ihnen danken mit einem gesunden Immunsystem, einer ausgeglichenen Psyche und viiiiiel Liebe.
Sandra Sievers, Tierheilpraktikerin
Quellen
http://www.chronobiologie.com/chronobiologie-und-die-wissenschaft-der-zeit/
16.07.2017