Jede Leine hat zwei Enden
Eine Leine gehört zu unserem Alltag mit Hund wie ein gutes Geschirr oder auch ein Halsband. Der Handel bietet zahllose verschiedene Modelle an – „die richtige“ Leine gibt es nicht. Man sollte sich allerdings Gedanken machen, welche Leine für den eigenen Hund und die jeweilige Situation am besten geeignet ist.
Führleinen
Ohne Führleine kommt kein Hundehalter aus. Hier hat man die Qual der Wahl, was Länge, Material und Design angeht.
Die erste Entscheidung betrifft natürlich die Länge. Kurzführer sind nur für große Hunde geeignet und eher dazu gedacht, den Hund „mal eben“ sichern zu können – sie sind nicht viel mehr als eine Handschlaufe, ein verlängerter „Griff“ am Geschirr oder Halsband. Die meisten im Alltag oder beim Training verwendeten Führleinen sind zwischen 1 und 2,40 Meter lang. Unter einer Arbeitsleine versteht man normalerweise eine 1 Meter lange Leine mit Handschlaufe, wie sie auch die meisten anderen Modelle bis ca. 1,40 Meter haben. Die so genannten Verlängerungsleinen sind mit zwei Karabinern und eingearbeiteten Ringen ausgestattet, in denen der zweite Karabiner befestigt wird. So kann man die Leinenlänge der Situation anpassen, eine Handschlaufe nachbilden oder sich eine größere „Schlaufe“ um den Oberkörper hängen – entsprechend mehr oder weniger Leinenlänge hat dann der Hund zur Verfügung. Man sollte bei der Wahl der Länge vor allem darauf achten, dass der Hund nicht ständig über die eigene Leine tritt und sich dann verheddert. Dabei ist natürlich auch aufmerksames Handling gefragt, denn indem man den Arm streckt, die Hand senkt oder Leine nachlässt, kann man ihm ein Stück mehr Radius verschaffen bzw. durch Verkürzen ein Stolpern verhindern.
Beim Material kommt es hauptsächlich auf die eigenen Vorlieben an. Nylon bietet die größte Auswahl an Farben und Mustern, vor allem in Kombination mit Borten und anderen Applikationen. Nylongurt kann (in einem Kopfkissenbezug) in der Waschmaschine gewaschen werden, „verfranst“ aber oft recht schnell und wird dann unansehnlich. Nylonleinen saugen Nässe auf und werden bei Regen schwerer. Das passiert bei Leinen aus Kunstleder nicht, die auch leichter zu reinigen sind – ob man dieses Material gern in der Hand hat, ist Geschmacksache. Leder ist sehr haltbar und eher unempfindlich – wenn die Leine einmal wirklich sehr schmutzig geworden ist, kann man sie mit milder Seife waschen (am besten Sattelseife verwenden). Spätestens danach sollte man ihr etwas Pflege zukommen lassen. Regelmäßig mit Lederpflege behandelt, wird das Material nicht spröde oder rissig, sondern bleibt geschmeidig und bekommt eine schöne „Patina“. Lederleinen gibt es auch rundgenäht – die Leine besteht also nicht aus einem flachen „Streifen“ Leder, sondern das Leder wird um einen Kern (Kunstfaserseil) herum der Länge nach zusammengenäht. Oft wird sie in der Hand angenehmer empfunden, dafür ist sie natürlich nicht so unverwüstlich. Biothane ist ein extrem belastbares, besonders leichtes und unempfindliches Material, es nimmt keine Nässe auf und kann einfach abgewischt werden. Es ist jedoch etwas „steifer“ als Nylon oder Leder – bei Führleinen wiederum Geschmacksache. Biothaneleinen sind in vielen verschiedenen Stärken, Breiten und Farben erhältlich. Das Material ist gut bedruckbar und so einfach zu verarbeiten, dass viele Anbieter sie gleich ganz nach Kundenwunsch herstellen.
Das Gewicht der Leine wird natürlich auch durch die Breite und den Karabiner bestimmt. Beides sollte Gewicht und Impulsivität des Hundes angepasst sein. Schon bei der Wahl des Geschirrs darauf achten, dass der Karabiner nicht auf der empfindlichen Wirbelsäule „herumhüpft“! Hier kann man sich auch mit einem kurzen Schlauch aus Fleece oder einem anderen Polstermaterial behelfen, den man über den Karabiner zieht.
Bei einem stürmischen Junghund oder bei Aktivitäten wie Joggen oder Radfahren ist oft ein Ruckdämpfer ratsam, der zwischen Leine und Geschirr angebracht wird. Er schützt, wie der Name sagt, vor plötzlichen Leinenrucken, und zwar beide Seiten, indem er sich ein Stück dehnt. Eine Joggingleine ist meist auf ganzer Länge dehnbar – und damit unter Umständen plötzlich viel länger, als man dachte … Unter einer Koppel versteht man zwei kurze Leinenstücke, verbunden mit einem Ring, in dem dann die eigentliche Leine eingehakt wird. Das klingt theoretisch gut, wenn man zwei Hunde zu führen hat, in der Praxis zeigt sich aber, dass die beiden Hunde sich dann gegenseitig „herumzerren“ – mehr darüber, warum das so ungünstig ist, im zweiten Teil über die Leinenführung.
Schleppleinen
Schleppleinen dürfen niemals am Halsband befestigt werden, nur an einem Geschirr! Sie dienen meist der Sicherung von Hunden, die (noch) nicht zuverlässig auf Ruf zurückkommen, oder weil es die Situation anderweitig erfordert – zur Brut- und Setzzeit beispielsweise, in Naturschutzgebieten oder allgemein aus Rücksicht auf Wildtiere. Für Alltag und Training mit jagdbegeisterten, ängstlichen oder möglicherweise gefährlichen Hunden sind Schleppleinen unerlässlich, denn trotz der nötigen Sicherung soll der Hund natürlich so viel Freiraum wie möglich haben.
Es gibt sie von 3 bis 15 Metern Länge, selten sogar noch länger, am gebräuchlichsten sind 10 Meter. Schleppleinen haben oft keine Handschlaufe, weil die Gefahr besteht, dass diese irgendwo hängen bleibt, wenn der Hund etwa durch Gebüsch läuft. Damit einem das Leinenende nicht doch entgleitet, wenn man es festhalten will, macht man am besten einen Knoten ins offene Ende. Außerdem empfiehlt es sich, Handschuhe zu tragen, denn wenn man hineingreift und die Leine vom durchgestarteten Hund schnell durch die Hand gezogen wird, kann sie ernste Verletzungen verursachen. Eine Leine aufzunehmen, die durch Schmutz und Matsch gezogen wird, ist mit bloßen Händen auch nicht unbedingt angenehm. Selten kommt es vor, dass ein Hund sich von der Schleppleine sehr gestört fühlt, weil er darüber stolpert oder die Leine stets an einer Körperseite herabhängt und sich dort bewegt. Wenn der Hund zum Beispiel auffällig schräg läuft, um dieser ständigen Berührung zu entgehen, sollte man die Wahl der Leine überdenken.
Das Material sollte möglichst robust, aber leicht und unempfindlich sein – hier haben Biothane oder Kunststoffschlauch große Vorteile. 10 oder 15 Meter Nylongurt werden nass richtig schwer, und es bleibt viel Schmutz daran haften, wenn die Leine über den Boden schleift. Die mit Kunststoff ummantelten Leinen sind durch das Polyamidseil im Inneren ebenfalls sehr belastbar und so leicht, dass die aktuell dünnste Variante (3,8 mm) auch für Welpen und Kleinhunde bestens geeignet ist. Biothane und Kunststoff verknoten auch nicht, was vor allem bei den runden, dünnen Nylonseilen – im Handel oft als Feldleine angeboten – nach kurzer Zeit lästig wird. Lederne Schleppleinen sind fast ausnahmslos aus Fettleder, da dieses noch am unempfindlichsten ist. Hier ist die Farbe ein echter Nachteil! Eine dunkelbraune Fettlederleine ist im Gras oder auf Waldwegen wesentlich schlechter zu erkennen als Biothane oder Kunststoff in Signalorange oder Neongelb – und da sind wir schon beim Thema Sicherheit.
Gefährlich sind Schleppleinen vor allem dann, wenn man mit mehreren Hunden und Menschen unterwegs ist – die Leine kann sich beim Toben um die Hundebeine wickeln und zu schmerzhaften Abschürfungen oder gar Brüchen führen, aber auch zu ernsten Auseinandersetzungen, wenn ein Hund unfreiwillig zu nah an einem anderen festhängt. Gerade beim Gruppenspaziergang kommt es häufig vor, dass jemand versehentlich auf die schleppende Leine tritt und den Hund damit abrupt stoppt und ihm wehtut, oder selbst zu Fall kommt. Hat man das Ende einer so langen Leine gar in der Hand, passiert leicht das eine oder andere Unglück – eine liebe Bekannte hat gerade erst mehrere Monate mit Krankenhaus und Reha hinter sich, weil sie von einer Schleppleine buchstäblich umgemäht wurde und sich dabei einen komplizierten Bruch zuzog.
Rollleinen
Rollleinen sind nicht unumstritten und erfordern ebenfalls einen achtsamen Umgang. Auch eine Rollleine gehört auf keinen Fall ans Halsband! Bitte bedenken Sie: Bei 5 Metern Länge hat der Hund unter Umständen 10 Meter Anlauf, mit denen er dann ins Leinenende knallt … Rollleinen haben üblicherweise eine Länge von 3, 5 oder 8 Metern, bestehen aus einem dünnen Seil oder einem schmalen Gurtband und sind auf das Gewicht des Hundes abgestimmt. Für die Kleinsten eignen sich 3 Meter, ein großer Hund hat an einer 8-Meter-Leine schon recht viel Spielraum. Je länger die Leine, desto mehr Zugkraft muss der Hund aufwenden, um sich daran zu bewegen. Gurtleinen sind schwerer auszuziehen als Seilleinen und erfordern ein größeres Gehäuse.
Rollleinen bieten ebenfalls viel mehr Freiraum als Führleinen – gerade bei kleinen Hunden muss man an der Führleine doch gut aufpassen und „mitarbeiten“, damit der Hund nicht über die Leine tritt und sich verheddert, aber trotzdem etwas Radius hat. Sie sind angenehmer zu handhaben als Schleppleinen – sie werden nicht schmutzig, man braucht nicht ständig aufzunehmen und nachzulassen. Sie sind ganz einfach praktisch, aber sie haben wirklich ihre Tücken. Sie sind für andere oft schlecht zu erkennen und werden unter Umständen zur Stolperfalle – richtig gefährlich wird es, wenn ein schneller Radfahrer eine solche Leine übersieht! Hier ist Gurt vorteilhafter als Seil, besonders die farbigen Modelle, weil der Gurt viel besser zu sehen ist. Vor allem ist die eigene Umsicht gefragt, und zwar in alle Richtungen! 5 Meter nach vorn überschaut man meist ganz selbstverständlich, doch wenn der Hund plötzlich zur Seite schießt, kann er 5 Meter weiter bereits auf die Straße geraten.
Rollleinen können furchtbare Verletzungen verursachen, wenn man hineingreift. Niemals sollte man einen Hund an der Flexileine mit anderen spielen lassen! Eine schnell ein- oder auslaufende Rollleine ist scharf wie ein Messer und die Verletzungsgefahr sehr groß. Erschrickt der Hund oder gerät in Panik und rast los, wird einem der Kunststoffgriff leicht einmal aus der Hand gerissen. Die Leine rollt sich blitzschnell ein, das Gehäuse kann das Tier treffen und zusätzlich erschrecken, und dann „verfolgt“ es auch noch klappernd und scheppernd den flüchtenden Hund ... In solchen Fällen empfiehlt sich eine Sicherung – man kann das Gehäuse am Gürtel befestigen oder mit einer Schlaufe (zum Beispiel ein Stück Gurtband oder ein Lederriemen) um den Griff am Handgelenk sichern.
Dass Flexileinen „dem Hund das Ziehen angewöhnen“, ist ein verbreitetes Vorurteil – auch hier kommt es hauptsächlich auf das menschliche Ende der Leine an. Mit diesem werden wir uns im nächsten Teil befassen, denn Leinenführigkeit hat zwei Seiten!
Katharina Volk, München05.09.2017