Fleischfresser Hund als Getreidefresser?
Ist das artgerechte Ernährung?
Vielen von Ihnen wird der allgemeine Medienaufschrei noch in den Ohren liegen, als bekannt wurde, dass Tiermehl in großem Stil an Kühe und andere Pflanzenfresser verfüttert wurde. Schuld an dieser Praxis war neben dem allgemeinen Profitstreben der Agrarindustrie auch ganz klar die Haltung der meisten Konsumenten, welche immer preiswertere Lebensmittel einforderten.
Weder die eine noch die andere Seite war sich dabei der möglichen Konsequenzen für Mensch und Tier wirklich bewusst und wenn doch, wurden diese Bedenken nur allzu schnell beiseite geschoben.
Erst die BSE-Krise weckte Ängste der Bevölkerung vor einer Übertragung auf den Menschen und ließ die Umsätze der Agrarindustrie einbrechen. Nun rückte diese Fütterungspraxis in den Vordergrund, und die Politik reagierte letztendlich mit einem Verbot der Verfütterung tierischer Proteine an Pflanzenfresser.
Natürliche Ernährung
Jede Tierart ist von Natur aus auf eine bestimmte Ernährungsweise eingerichtet. Dies geschah nicht von heute auf morgen, sondern im Laufe einer langen Entwicklungsgeschichte. Hunde und Katzen beispielsweise haben sich darauf spezialisiert, Tiere zu erlegen, und sind deshalb auf die Verdauung und Verwertung tierischer Proteine und Fette spezialisiert. Kühe hingegen sind Pflanzenfresser und somit auf die Verwertung pflanzlicher Proteine spezialisiert, und Schweine wiederum sind Allesfresser, welche sowohl tierische als auch pflanzliche Proteine benötigen.
So wie es mittlerweile allgemein klar ist, dass man Pflanzenfresser nicht mit tierischen Eiweißen ernähren kann, sollte es auch jedem klar sein, dass Karnivoren genau dieses benötigen. Es stellt mehr oder weniger ihre Hauptfutterkomponente dar. Ich frage mich daher, warum Karnivoren nach wie vor mit Getreide und Soja als Hauptfutterkomponenten ernährt werden, ohne dass man sich darüber aufregt oder diese Art der Fütterung öffentlich in Frage stellt. Im Gegenteil! Allgemein wird angenommen und die Meinung vertreten, dass frisches Fleisch für Fleischfresser ungesund und gefährlich sei. Ist das ein Paradoxon?
Verunsicherung der Tierhalter
Nein, ich glaube nicht. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine wirkliche Meisterleistung der Futtermittelindustrie. Sie hat es geschafft, in den gut 40 Jahren seit der Einführung des ersten Trockenfutters durch den Tierarzt und Begründer von Royal Canin, Jean Cathary, die öffentliche Meinung derart geschickt zu manipulieren und in einem großen Teil der Bevölkerung Ängste und Vorurteile gegen die ursprüngliche (natürliche) Ernährungsweise von Karnivoren zu schüren, dass die Fütterung von extrudierten Trockenfuttern an Hunde und Katzen von den meisten Haltern als die allein richtige angenommen wird.
Betrachtet man sich die Aussagen in diversen Artikeln großer Hunde- und Katzenzeitschriften, in den Werbeflyern und der Werbung der Futtermittelindustrie, aber auch auf vielen privaten Internetseiten, in Internetforen und Mailinglisten, so kann man diese Ängste verstehen und nachvollziehen. Überall wird vor der Rohfütterung und deren Folgen für die Gesundheit unserer Hunde und Katzen durch Fehlernährung und Übertragung von Krankheitserregern gewarnt. Durch die immense Informationsflut werden diese Aussagen jedem Tierhalter immer und immer wieder eingehämmert.
Entgegen kam den Industriellen dabei die allgemeine Bequemlichkeit vieler Tierhalter, der Zeitdruck, unter dem diese in unserer heutigen Zeit oftmals stehen, und vor allem die Flexibilität des tierischen Organismus. Der schafft es über eine sehr lange Zeit, auch aus eigentlich ungeeigneten Futtermitteln noch weitgehend ausreichend Nährstoffe zur Verwertung und somit zur Erhaltung seiner Körperfunktionen zu ziehen. Darüber hinaus unterliegen sowohl die Futtermittelindustrie wie auch viele Tierärzte und der Großteil der Verbraucher dem überaus fatalen Irrtum, dass sich die Ernährung auf die Zusammensetzung von Inhaltsstoffen, also Proteine, Fette, Mineralien und Spurenelemente sowie Kohlenhydrate, reduzieren ließe.
Die BSE-Krise ließ hier zumindest bezüglich der Verfütterung von Tiermehl als Eiweißlieferanten an Pflanzenfresser Politiker und Verbraucher aufhorchen und entsprechend reagieren. Was für Pflanzenfresser gilt, ist aber für Allesfresser und für Fleischfresser falsch. So weit wurde nicht gedacht.
Neuer Gesetze bedarf es nicht, um Hunde und Katzen artgerecht zu ernähren, denn das deutsche Tierschutzgesetz ist hier eindeutig und sollte endlich einmal entsprechende Beachtung finden:
Tierschutzgesetz, Zweiter Abschnitt Tierhaltung, § 2
"Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen."
Eine rigorose Durchsetzung allein dieses Paragraphen würde die Futtermittelindustrie unweigerlich dazu bringen, ihre heutigen Praktiken zu überdenken und entsprechend konzipierte, tiergerechte Futtermittel herzustellen. Es gibt ja durchaus einige Hersteller, welche dies auch heute schon tun.
Letztendlich ist es auch der gut informierte Tierhalter selbst in seiner Funktion als Verbraucher, der die Futtermittelindustrie durch sein Kaufverhalten zu einem Umdenken bewegen kann.
Peter Alm, Tierheilpraktiker
Klaus-Rainer Töllner, Biologe
04.09.2017