Der Magen-Darm-Trakt Teil 3
Niederbruch der autochtonen Mikrobiota
Welche Faktoren führen zum Niederbruch der MDT-Mikrobiota?
Die Mikrobiota des MDT reagiert auf die innere Umwelt im Körper. Nahrung moduliert die Mikrobiota, die wiederum den Wirtsorganismus beeinflusst.
Der Wirt passt sich den Stoffwechselprodukten seiner Mikrobiota im Guten wie im Schlechten an. Wenn der Wirt nicht mehr in der Lage ist, auf ihre schädigenden Produkte wie z. B. Toxine, NH3, Polyamine etc. neutralisierend zu reagieren, brechen die Gleichgewichte (Homöostasen) auf allen Ebenen zusammen.
Neben der Nahrung sind Wasser, Klima, Sauerstoffversorgung, Blutmangel, allergische Reaktionen sowie antibakteriell wirksame Totalherbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat von Bedeutung.
Nahrung und Wasser können Schwermetalle, Mykotoxine, Bakterientoxine oder andere Schadstoffe wir Organophosphate enthalten. Die Mikrobiota wird beeinflusst durch Nahrungs- bzw. Fütterungsfehler (Verdaulichkeitsgrad, Zusammensetzung, Struktur, Kontaminationen), durch Antibiotika, Sulfonamide, einige Mykotoxine, z. B. Citrinin, sowie antibakteriell wirksame Totalherbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat.
Sauerstoffmangel wirkt endogen bei Lungenentzündungen, exogen durch Höhenlage bei Bergsteigern oder auch unzureichende Belüftung von Räumen und Ställen. Obwohl der Darm nur ca. 5% der Körpermasse ausmacht, benötigt er ca. 15 - 30 % des inhalierten Sauerstoffs und den gleichen Anteil neugebildeten Proteins. Die Schleimhaut des MDT besitzt keine Sauerstoffreserve.
Bei Sauerstoffmangel kommt es zur Reduzierung der bakteriziden Wirkung der neutrophilen Granulozyten, der Phagozytoseaktivität der Epithelzellen und der Aktivität des sekretorischen Immunglobulin A. Im Gegenzug steigen Transzytosen von Bakterien (es treten vermehrt Bakterien aus dem Darm in die Blutbahn über) und die Proteaseaktivität (Proteasen spalten Bindungen, mit denen die Aminosäuren in Proteinen und Peptiden verknüpft sind) gegenüber polyvalenten Immunglobulin-Rezeptoren.
Blutmangel kann durch Traumata, Blutverluste oder Eisenmangel sowie durch Veränderung in der Zusammensetzung und Menge der Mikrobiota entstehen.
Gleichermaßen führt Stress zu Darmmobilitätsstörungen, Epithelschäden, Mikrobiotaschäden, zum Niederbruch des lokalen Immunsystems und damit zum Niederbruch der Barriere. Bakterien können Stresshormone (Epinephrin und Norepinephrin) als Signale für gesteigerte Proliferation verwenden. Die Proliferation und Toxinbildung einiger Bakterien, z. B. Clostridium perfringens, wird durch die verstärkte und weniger visköse Mukusproduktion der Darmepithelzellen durch die Wirkung dekonjugierter (Glycin und Taurin werden abgespalten) Gallensäuren, Nichtstärkepolysacchariden (Weizen, Gerste, Roggen) sowie Kokzidienbefall angeregt.
Der Erhalt der autochthonen (gesunde, arttypische) Mikrobiota ist somit eine essentielle Voraussetzung für ein gesundes Leben. In den Industrienationen spricht man von den sogenannten Zivilisationskrankheiten, die auf die “Western-Style-Diät“ zurückzuführen sind. Diese führt seit ca. 20 Jahren in den Industrienationen zu massivem Anstieg zahlreicher chronischer Erkrankungen des Kreislaufs, der großen Anhangsorgane (Leber, Bauchspeicheldrüse), der Nieren, des MDT, zu Krebserkrankungen und auch zur Fettsucht. Zahlreiche Publikationen belegen, dass adipöse Individuen eine spezifische MDT-Mikrobiota besitzen. Sie lässt sich auf schlanke Individuen übertragen und umgekehrt.
Welche Rolle spielt Glyphosat?
Interpretiert man den Begriff „Western-Style-Diät“ richtig, kommt am Ende Glyphosat-haltige Nahrung heraus. Das Molekül N-(Phosphonomethyl)Glycin (Glyphosat) ist das Phosphonomethylderivat der Aminosäure Glycin. Es besitzt eine herbizide Wirkung durch die Hemmung der 5-Enolpyruvyl-shikimat-3-Phosphat-Synthase (EPSPS), wodurch die Transformation von Phosphoenolpyruvat (PEP) zu Shikimat-3-Phosphat verhindert wird. Dieser Shikimisäureweg führt in Pflanzen, Bakterien, Pilzen, Protozoen und Algen, wenn er nicht gestört wird, zur Bildung der drei aromatischen essentiellen Aminosäuren Phenylalanin, Tryptophan und Tyrosin, die Menschen und Tiere selbst nicht herstellen können, also über die Nahrung aufnehmen müssen.
Diese Aminosäuren sind in der Mehrzahl der Fälle auch die Basis für die von Pflanzen gebildeten Polyphenole. Durch den Einsatz als Herbizid (Vorauflaufbehandlung, Stoppelbehandlung, Vorerntesikkation) in der Landwirtschaft und durch die Kontamination von gentechnisch veränderten (GVO) Nutzpflanzen, die gegen Glyphosat resistent gemacht wurden – beides geschieht weltweit in großem Maßstab – hat dieses Herbizid die Nahrungskette erreicht. Der BUND konnte es in 70% der untersuchten Urinproben von Deutschen, die in Städten lebten, nachweisen.
Glyphosat ist in erster Linie ein Chelator, bindet zweiwertige kationische Spuren- und Mengenelemente, besitzt herbizide, zytotoxische (1996 als Antikrebsmittel für Menschen und warmblütige Tiere patentiert) und bakteriostatische Wirkung. Alle erwähnten Eigenschaften sprechen dafür, dass Glyphosat ein potenter, wenn auch chronisch arbeitender Killer ist.
Entscheidend sind die Menge und der Weg der Inkorporierung, also der Aufnahme in den Körper. Nach inhalativer Applikation (Einatmen) ist die LD50 (Dosis letalis 50%) für Spraque-Dawley-Ratten 1000mal niedriger als nach oraler Applikation. Solche Eigenschaften besitzen nur Kampfstoffe. Seit 40 Jahren wird in den USA der Einsatz dieses Herbizids forciert. Es bindet als Chelator zweiwertige Kationen wie z. B. Zink, Mangan, Cobalt, Eisen und macht sie unverfügbar. Es ist eine Säure (pH2), ein Bakteriostatikum und ein Zytostatikum. Pflanzen, die auf damit behandelten Böden wachsen, werden mit weniger Mengen- und Spurenelementen versorgt, weil diese durch Glyphosat im Boden fixiert werden.
Die Pflanzen werden so in ihrem Wachstum gestört, weil viele Enzyme der Pflanze diese Spurenelemente benötigen. Folglich werden Konsumenten mit diesen essentiellen Elementen durch die Nahrung ebenfalls weniger versorgt, die dadurch eigentlich wertlos wird. Die seit Anfang bis Mitte der 90er Jahre entwickelten gentechnisch veränderten Pflanzen (Soja, Mais, Raps, Zuckerrübe etc.) sind durch Einfügen eines Gens, das diese Pflanzen gegen Glyphosat resistent macht, für den Konsumenten besonders schädlich. Sie sind arm an den bereits besprochenen Elementen und haben Proteine gebildet, die es vorher noch niemals gab, und da diese in der evolutionären Entwicklung von Menschen und Tieren noch nie gebildet wurden, hat deren Organismus auch kein Konzept zu ihrem Abbau. Sie enthalten sowohl Glyphosat (EU-Rückstandshöchstwert für Soja 20mg/kg) als auch sein Abbauprodukt AMPA. Beide Verbindungen werden von den Behörden als äquivalent angesehen.
Die so produzierten Futtermittel/Lebensmittel enthalten auch reduzierte Konzentrationen an aromatischen Aminosäuren (Phenylalanin, Tryptophan, Tyrosin), die Menschen und Tiere nicht selbständig bilden können. Diese sind aber auch Ausgangspunkt für viele pflanzliche Verbindungen, die einen Phenolring tragen, also Polyphenole, Flavonoide, Tannine etc.
Gerade diese Verbindungen benötiget aber der Organismus von Menschen und Tieren, um Infektionserreger abzuwehren, Entzündungen zu regulieren, Sauerstoffradikale zu fangen und entartete Zellen abzutöten (Salvestrole, eine 2003 entdeckte Stoffgruppe, der man krebshemmende Wirkung nachsagt.)
Die aromatischen Aminosäuren, besonders das Tryptophan, sind sowohl für die Eiweißsynthese als auch zur Bildung so wichtiger Neurotransmitter wie Serotonin und Melatonin notwendig. Sind sie nicht mehr in der Nahrung enthalten, kommt es zu davon abhängigen pathologischen Zuständen wie Depressionen, Essstörungen, Schlafstörungen etc.
Ein großer Teil von Vitaminen, Neurotransmittern und Peptiden wird auch von der Magen-Darm-Mikrobiota gebildet. Glyphosat-haltige Futter/Lebensmittel hemmen diese Mikroorganismen und errichten hier eine zweite Front der Schädigungen.
Prof. em. Monika Krüger, Biologin
Mehr zum Thema im Artikel Quo vadis Glyphosat?
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie über den Magen-Darm-Trakt
- Teil 1 - Grenzgebiet zwischen Innen und Außen
- Teil 2 - Die Magen-Darm-Mikrobiota
- Teil 3 - Niederbruch der autochtonen Mikrobiota
- Teil 4 - Wiederherstellung des mikrobiellen Gleichgewichts
- Teil 5 - Die Galle
04.09.2017