CrowdFarming
Ein Konzept für die Zukunft!
Crowdfunding ist inzwischen auch in Deutschland ein durchaus bekannter Begriff, der eine Gruppen- oder auch Schwarmfi nanzierung bezeichnet (crowd = engl. für „(Menschen-) Menge“ und funding = engl. für „Finanzierung“).
Aber was ist CrowdFarming?
Vor etwas über einem Jahr stieß ich im Internet zum ersten Mal auf diesen Begriff und dachte zunächst, ich hätte mich verlesen. Dann las ich den Bericht und wurde neugierig. Das Konzept sprach mich an, aber ich war auch skeptisch, ob das funktioniert. Also recherchierte ich und machte dann den „Selbstversuch“.
Im Grunde ist CrowdFarming ganz einfach zu beschreiben: Es handelt sich dabei um eine Lebensmittellieferkette, bei der die Erzeuger nur so viel produzieren, wie sie tatsächlich garantiert an den Endverbraucher verkaufen. Dadurch werden Überproduktionen vermieden und – im Nachgang dazu – die natürlichen Ressourcen geschont.
Die Idee des CrowdFarming kommt aus Valencia. Dort litten junge Orangenbauern unter dem Mangel an Transparenz der traditionellen Lebensmittellieferkette und den damit verbundenen Niedrigpreisen. Aber anstatt aufzugeben entschlossen sie sich, mithilfe des Internets eine neue, eigene Lebensmittelkette aufzubauen, die transparent ist, weil sie nur die beiden notwendigen Akteure (Erzeuger und Kunde) berücksichtigt, aber gleichzeitig ein verlässliches Auskommen garantiert.
Wie funktioniert das?
Über eine Internetplattform bieten die teilnehmenden Farmer (= Landwirte) ihre Produkte an – und zwar bereits vor dem Produktionszyklus. Die Produktion wird dann entsprechend der von den Endverbrauchern bestellten Mengen angepasst. Die Farmer können also den Anbau ihrer Produkte anhand ganz realer Zahlen planen. Sie produzieren damit im direkten Auftrag des Kunden, der die produzierte Ware auch tatsächlich erwirbt. So können sie einen Preis festlegen, von dem sie tatsächlich leben können. Es kommt zu einer direkten Interaktion zwischen dem Farmer, der mit dem Wissen produziert, dass jemand bereits auf die Ernte wartet und dem Crowdfarmer (ein freundlicherer Begriff als Konsument), der sich über das bestellte Produkt freut und es mit dem Wissen über die Herkunft, die Produktionsbedingungen und den Erzeuger genießt – und weiß, dass er den Farmer wirklich unterstützt und zu fairen Bedingungen eingekauft hat.
Welchen Nutzen hat CrowdFarming?
Zunächst einmal kann der Farmer beim CrowdFarming seine Preise selbst festlegen und wird preislich nicht von Groß- und Zwischenhändlern unter Druck gesetzt. Er weiß also anhand der eingegangenen Bestellungen für seine Produkte, welches Einkommen er in etwa erzielen wird und kann entsprechend planen. Das verleiht natürlich Sicherheit!
Das wiederum hat direkte, positive Effekte auf die Natur. Warum? Nun, der Farmer ist nicht gezwungen, so viel wie möglich zu produzieren, nur weil er lediglich einen Bruchteil des in der traditionellen Lebensmittellieferkette üblichen Verkaufspreises erhält. Damit er aber trotzdem (über-)leben kann, bleibt ihm in dieser Form von Produktion und Vertrieb fast immer nur die Möglichkeit, in Masse zu produzieren.
Bei den Recherchen im Internet zur prozentualen Verteilung des Verkaufspreises auf alle an der Lieferkette Beteiligten bin ich auf folgende Zahlen gestoßen (das Beispiel ist an einer Banane berechnet, aber bei anderen Produkten wird das ähnlich sein):
Der Landbesitzer und die Arbeiterinnen und Arbeiter erhalten – zusammengenommen – nicht einmal 25 % des Preises, der in Deutschland im Supermarkt erzielt wird. Damit bei diesem „Gewinn vor Steuern“ (denn der Produzent muss ja auch noch Steuern zahlen) dann überhaupt genug Geld zum Leben bleibt, werden Massen an – in diesem Fall – Bananen produziert, von denen aber schlussendlich viele weggeworfen werden oder zum Teil auch gar nicht erst in den Handel gelangen. Um diese Massen zu produzieren, wird intensive Landwirtschaft unter massivem Einsatz von Chemikalien betrieben, die der Natur, den Tieren und natürlich den Menschen selbst schadet.
In der Lebensmittellieferkette, wie sie bei CrowdFarming praktiziert wird, verbleibt jedoch im Vergleich zur traditionellen Lebensmittellieferkette ein sehr viel höherer Anteil des Verkaufspreises beim Produzenten, denn es fallen einige Kosten innerhalb der traditionellen Lieferkette weg: die Kosten für die Lagerhaltung, der Großhändler, der seinen Verdienst haben will, der Supermarkt, der ebenfalls Gewinn erzielen möchte sowie ein Teil der Transportkosten.
Dies kommt der Natur zugute, denn die Sicherheit hinsichtlich des Einkommens ermöglicht es den Farmern, gezielt nur so viele Pflanzen anzubauen oder Tiere aufzuziehen, wie benötigt werden, um die vorbestellte Ware zu produzieren.
Es findet keine Produktion „auf gut Glück“ oder „so viel wie möglich“ statt und das bedeutet auf Dauer: Weniger Chemikalien, weniger Bedarf an Pflanzen oder Tieren, niedrigerer Wasserverbrauch, weniger benötigte Weidefläche (und damit auch weniger Rodung von Waldflächen) sowie weniger Einsatz von Dünger. Es kann also generell umweltfreundlicher und nachhaltiger produziert werden. Es entstehen keine massiven Überkapazitäten, die vernichtet werden – sei es, damit der Preis stabil gehalten wird oder einfach, weil die Ware irgendwann verdorben ist.
CrowdFarming achtet zudem darauf, dass möglichst recycelte Materialien beim Transport eingesetzt werden und auf Plastik verzichtet wird, soweit dies machbar ist.
Auch aus gesellschaftlicher Sicht macht CrowdFarming Sinn: Immer mehr Menschen möchten ihre Produkte direkt beim Erzeuger kaufen und wollen wissen, wie diese hergestellt werden. CrowdFarming macht diese Wege transparent – ja, man kann die Farmer sogar besuchen, wenn man möchte. Übrigens gibt es ein ähnliches Konzept auch in Deutschland. Es nennt sich solidarische Landwirtschaft.
Das Prinzip von CrowdFarming im Überblick
Lieferkette | Traditionell | CrowdFarming |
Planung der Ernte |
Die Landwirte produzieren, ohne zu wissen, wie groß die Nachfrage und wie hoch der Preis für die Ernte sein wird. | Die FARMER (Landwirte) produzieren unter Berücksichtigung der Nachfrage der Personen, die eine Produktionseinheit adoptieren. |
Versand der Ernte | Die Produkte durchlaufen mehrere Standorte, bis sie beim Endkonsumenten ankommen. | Direkter Versand von der Ursprungsadresse bis zum CROWDFARMER (Endkonsument). |
Ernte der Produkte | Fast immer wird frühzeitig (unreif) geerntet, damit sich die Produkte länger halten. | Es wird im optimalen Reifestadium geerntet. |
Natürlich kennt man auch bei CrowdFarming das Transportproblem. Einerseits soll die Ware so frisch wie möglich beim Kunden ankommen, andererseits soll beim Transport die Umwelt nicht zu sehr belastet werden. Aus diesem Grund wird der Transport bereits frühzeitig geplant. Dies ist aufgrund der vorliegenden Bestellungen durchaus möglich. Ein Team von Disponenten schaut sich an, wohin die Waren geliefert werden müssen und dann werden alle Pakete, die in die gleiche Richtung gehen, zusammen auf den Weg gebracht.
Wie kann man die CrowdFarming-Produkte erwerben?
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass man bei CrowdFarming eine sogenannte „Produktionseinheit“ adoptiert, also zum Beispiel einen Orangenbaum oder einen Olivenbaum. Man könnte es vermutlich auch „Patenschaft“ nennen und ich denke, in Deutschland ist diese Bezeichnung auch geläufiger, aber das dahinterstehende Prinzip ist identisch: Man bezahlt den veranschlagten Betrag, wird damit aber nicht Besitzer der Produktionseinheit, sondern erhält als Gegenwert die Ernte bzw. – je nach Produkt – einen Teil der Ernte. Dies kann man bei der Adoption des Produktes auswählen. Mit der Adoption geht man übrigens keine langfristige Verpflichtung ein, denn die Adoption muss für jede Saison neu verlängert werden.
Und welche Produkte gibt es bei CrowdFarming?
Orangen, natives Olivenöl, Bio-Mandeln, Schokolade von den Philippinen, Kaffee aus Kolumbien, Balsamico-Essig aus Modena, Bio Aloe Vera-Blätter, eine Decke aus Merinowolle, Granatäpfel, Albufera-Reis, Käse und Honig.
Fazit meines Selbstversuchs:
Meine beiden, bei CrowdFarming bestellten Produkte sind von hervorragender Qualität: Eine Decke aus naturbelassener Merino-Wolle, die im vergangenen Winter bereits sehr viel zum Einsatz gekommen ist und 10 kg Orangen, die nach einer Woche komplett aufgegessen bzw. zu frisch gepressetem Orangensaft verarbeitet waren – geliefert in einem Karton, der inzwischen eine weitere Verwendung gefunden hat.
Für mich steht fest, dass ich CrowdFarming weiter unterstützen werde. Ich halte das für eine durchaus zukunftsfähige Form der Landwirtschaft, die sowohl den Landwirten als auch der Natur zugutekommt, nicht nur in Deutschland, sondern insbesondere im Ausland, wo ohnehin oft sehr schlechte Preise bezahlt werden. Und auch mit dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft werde ich mich näher beschäftigen, denn damit kann man die heimische Landwirtschaft unterstützen. Und sollte ich es irgendwann einmal nach Spanien schaffen, werde ich meinen adoptierten Orangenbaum besuchen.
Corinna Simmerkuß
CrowdFarming® ist eine im Markenregister eingetragene Marke. Aufgrund der besseren Lesbarkeit wurde in dem Artikel auf die Kennzeichnung mit dem Symbol für „Registered Trademark“ verzichtet.
01.04.2020
Zurück zur Übersicht