Der Magen-Darm-Trakt Teil 5

Die Galle

BlaubeerenZahlreiche pflanzliche Inhaltsstoffe üben einen signifikanten Schutz auf die Leber aus.
Die abgebildeten Blaubeeren sind besonders reich an Anthocyanen.

Bedeutung der Galle

Galle erfüllt im Körper von Tieren und Menschen mehrere Funktionen. Das Pferd gehört zu den Tierarten mit intensiver Gallebildung – pro Tag werden von einem 500 kg-Pferd ca. 10 Liter gebildet (Kolb 1967). Pferde haben keine Gallenblase ausgebildet.

Den wichtigsten Bestandteil der Galle bilden Gallensäuren – ein Produkt der Leberzellen aus Cholesterol – die mit den Aminosäuren Glycin bzw. Taurin konjugiert sind und aufgrund des alkalischen pH der Galle als Salze vorliegen. Bei gesunden Tieren besteht die Galle aus ca. 82 % Wasser, Hydrogencarbonaten, Gallensäuren (GS), Gallenfarbstoffen (z. B. Bilirubin), Phospholipiden (wie Lecithin) und Cholesterol. Weiterhin enthält Galle Immunglobulin A und Schleim, um bakterielles Wachstum zu verhindern. Sie enthält auch Vitamin E, das der oxidativen Schädigung von Gallengangsepithel und Darmepithel vorbeugt.

Viele endogene Substanzen werden mit der Galle sezerniert und unterliegen dem enterohepatischen (Darm-Leber-)Kreislauf, werden also wieder absorbiert. Das sind fettlösliche Vitamine wie Vitamin D2 (biologisch aktive Form), wasserlösliche Vitamine wie Vitamin B12 und Folsäure, alle östrogenen Steroide, Progesteron und Testosteron, Corticosteroide sowie essentielle Spurenelemente. Viele exogene Substanzen (Xenobiotika) werden auch über die Galle ausgeschieden, unterliegen aber in gewissem Grad auch dem enterohepatischen Kreislauf. Das schließt bestimmte Antibiotika, Mykotoxine und Organophosphate ein.

Die Galle von Pferden hat eine braungrünliche Farbe. Der Gallenfarbstoff ergibt sich aus dem Abbau von Hämoglobin (Blutfarbstoff) und zu einem geringeren Anteil (15 - 20 %) aus dem Abbau von weiteren Porphyrinen (Anteile von bestimmten Enzymen). Die Bildung des Gallenfarbstoffes erfolgt bei Säugetieren auch in der Milz, im Knochenmark und an weiteren Stellen des Körpers (retikuloendotheliales System). Bei Pflanzenfressern entsteht Biliverdin (grünliche Farbe), das nicht toxisch, sondern antioxidativ wirkt und somit Gefäße und Fett vor Oxidation schützt.

Die Gallebildung erfolgt in den Leberzellen kontinuierlich. Der größte Teil der über den Gallengang in den Dünndarm abgegebenen Gallensäuren wird im Darmkanal wieder rückresorbiert. Galle ist ein Detergens und dient im Magen-Darm-Trakt der Emulgierung von Fetten, also der Entstehung von kleinen Fetttropfen, die dann von Lipasen (fettspaltende Enzyme) verdaut werden können. Unter physiologischen Verhältnissen sind Gallensäuren gut konserviert. Konjugierte und unkonjugierte Gallensäuren werden durch passive Diffusion im unteren Teil des Ileums (Hüftdarm) absorbiert. Reabsorbierte Gallensäuren kommen in die Blutbahn, werden von den Leberzellen aufgenommen, rekonjugiert, und wieder in die Gallenflüssigkeit sezerniert. Das ist der schon erwähnte enterohepatische Kreislauf.

Daraus erschließt sich, dass der größte Teil der Gallensäuren, die von den Leberzellen transportiert werden „alte“ Gallensäuren sind, die bereits früher synthetisiert und in die Galle sezerniert wurden. Da ca. 95% der im Darm befindlichen Gallensäuren rückresorbiert werden, gehen nur 5% mit dem Kot verloren. Dieser Verlust muss kompensiert werden, damit die zur Verfügung stehende Gallensäuren-Menge konstant bleibt. Während die von der Leber in den Darm sezernierten Gallensäuren mit Taurin und Glycin konjugiert sind, sind die im Kot nachgewiesenen Gallensäuren unkonjugiert (Hill und Drasar 1968).

Funktionen der Gallensäuren

Gallensäuren bilden mit sich selbst sowie mit Cholesterol und Phosphadidylcholin Mizellen (s. Abb.). Mizelle, polymolekulares AggregatNachdem Galle den Dünndarm erreicht hat, fällt Cholesterol aus, was seine Ausscheidung steigert. Durch ihre amphiphilen (hydrophil und hydrophob) Eigenschaften wirken die Gallensäuren auf Fett als Detergens (Emulgierung), was die Oberfläche durch Bildung vieler mikroskopisch kleiner Fett-Tröpfchen vergrößert und das Fett so den Lipasen zugänglich macht. Durch die Mizellenbildung wird Fett im wässrigen Milieu transportfähig, was für die Fettresorption und die Aufnahme fettlöslicher Vitamine von Bedeutung ist. Gallensäuren können so auch mit Lipiden von Bakterienoberflächen reagieren, was einen antibakteriellen Effekt bewirkt.

Korrekte, nicht durch angeborene oder erworbene Defekte veränderte Gallensäuren-Spiegel sind physiologisch notwendig, da unnormal hohe Gallensäuren-Zellkonzentrationen zu Nekrosen und Apoptosen (organisierter Zelluntergang) führen. Hohe extrazelluläre Gallensäuren-Konzentrationen lösen die Sekretion von Elektrolyten und Wasser aus, was im Darm zu Durchfällen führt. Andererseits führen zu geringe Gallensäuren-Spiegel im Darm zu einer verminderten Fettverdauung. Durch mikrobiellen Abbau von Gallensäuren entstandene sekundäre Gallensäuren können toxisch und mutagen (erbgutverändernd) wirken. Es wird vermutet, dass sie zu Diarrhoen und Darmentzündungen führen können (Begley et al. 2006).

Die enterohepatische Gallensäuren-Zirkulation beeinflusst wichtige physiologische Funktionen. Sie kontrolliert die Gallensäuren-Synthese und die gesamte Lipidhomöostase. Gallensäuren sind wichtige Signalmoleküle, die ein Netzwerk von Stoffwechselwegen des Fett-, Glukose- und Energiestoffwechsels koordinierend regulieren. Hydrophobe (fettliebend) aber nicht die hydrophilen (wasserliebend) Gallensäuren sind in der Lage, Zellkernrezeptoren zu binden und zu aktivieren, die für Synthese und Metabolismus der Gallensäuren von Bedeutung sind. So aktivieren Gallensäuren Gene, die die Gallensäuren-Produktion in der Leber reduzieren, aber die Transportproteine im Darmkanal vermehren. Für die Regulierung der Gallensäuren-Synthese, Gallensäuren-Exkretion in den Darm, Gallensäuren-Transport sowie den Fett-, Glukose- und Energiestoffwechsel hat der Farnesol-X-Rezeptor eine zentrale Funktion. Gallensäuren binden an zwei weitere Rezeptoren (PXR und VDR), die große Bedeutung für die Detoxifizierung von Gallensäuren, Arzneimitteln und Xenobiotika (Mykotoxine, Bakterientoxine, Organophosphate) besitzen. Gallensäuren stimulieren auch die Insulinrezeptoren (Chiang 2009).    

Wirkung der Gallensäuren auf Bakterien

Magen-Darm-Mikrobiota verändert Gallensäuren


Im Blind- und Grimmdarm werden Gallensäuren auf drei Wegen verändert:

  • Dekonjugation – Aminosäure wird abgeschnitten, Gallensäure ist dekonjugiert)
  • Dehydroxilierung – OH-Gruppe wird abgeschnitten, aus Cholinsäure wird Deoxycholinsäure
  • Dehydrogenierung – H-Gruppe wird abgeschnitten, Chenodesxycholsäure wird zu Oxolithocholsäure
  • Diese sekundären Gallensäuren bilden die zweite Front der funktionellen Gallensäuren.  

Antibakterielle Aktivität


Galle besitzt antimikrobielle Eigenschaften und ist ein ganz wesentlicher Teil des physiko-chemischen Abwehrsystems. Im Darmtrakt verhindern diese Eigenschaften den bakteriellen Überwuchs, also Bakterienkonzentrationen, die weit über den physiologischen, homöostatischen Werten liegen und schädigend auf den Wirtsorganismus einwirken. Gallensäuren greifen Phospholipide und Proteine in Membranen an.

Bei der Wirkung der Gallensäuren auf Bakterien spielt deren Zellwandarchitektur eine Schlüsselrolle für ihre Gallensäuren-Resistenz. Ladung, Hydrophobie und Lipidfluidität (Anteil ungesättigter Fettsäuren) sind dafür von großer Bedeutung. Bei Gram-negativen Bakterien wie Escherichia coli spielt hier der Aufbau, insbesondere die Zuckerkettenlänge der Lipopolysaccharide in der Zellwand eine Rolle. Für die Membranstabilität sind Wachstumstemperatur und CO2-Gehalt in der Umwelt bedeutsam. Liegt die Temperatur um 25°C oder ist der CO2-Gehalt in der Umwelt hoch, sind die Bakterienzellwände für GS stabiler. Im Gegensatz zu Gram-positiven Bakterien sind Gram-negative Bakterien (Salmonellen, E. coli) widerstandsfähiger gegen die Gallensäuren. Darum findet man beide Erreger auch häufig in Gallenblasen (wenn vorhanden). Campylobacter spp. und Helicobacter spp. sind auch weitestgehend Gallensäure-resistent. Hinsichtlich bekannter probiotischer Bakterien wie Lactobazillen, Bazillen, Bifidobakterien sind in der Literatur sehr unterschiedliche Effekte beschrieben, von empfindlich bis tolerent. Von den pathogenen Gram-positiven Bakterien wie Listerien sind relativ große Gallensäure-Resistenzen bekannt. Enterokokken sind demgegenüber wesentlich empfindlicher. Unkonjugierte Gallensäuren wie Natriumdesoxycholsäure reduzieren Enterokokken um den Faktor 1000 bereits bei 0,3% im Medium. Clostridium spp., bes. C. perfringens besitzen eine höhere Gallensäuretoleranz.

Die Gallensäurekonzentration im Darm ist nicht immer gleich. Fettreiche Rationen binden sehr viele Gallensäuren und reduzieren deren Wirkung auf die Mikrobiota des Darmkanals. Zahlreiche Besiedler des Magen-Darm-Traktes verfügen über Enzyme (Hydrolasen), die Gallensäuren degradieren können. Clostridium spp., Bacteroides spp., Lactobacillus spp., Bifidobacterium spp. und Enterococcus spp. sind dazu in der Lage. Clostridium spp. dekonjugieren Taurin-konjugierte Gallensäuren, was zu einer reduzierten Lipopolysaccharid (syn. Endotoxin)-Neutralisierung durch diese Gallensäuren im Darm und zu erhöhten Translokationen in den Körper führt – mit den entsprechenden Folgen (Rehe, Koagulopathien). Der Abbau der konjugierten Gallensäuren hat aber auch Folgen für den Wirtsorganismus, da die dekonjugierten Gallensäuren weniger effizient auf die Fettverdauung wirken und auch die Darmbarriere nicht hinreichend geschützt wird. Das nicht neutralisierte bakterielle Endotoxin führt zu einer verstärkten Translokation von Darmbakterien in die Zirkulation, so dass Erkrankungen wie Hufrehe, Koagulopathien (Thrombenbildung), etc. entstehen können.   

Schutz der Leber


Um die Aktivitäten von Gallensäuren im Stoffwechsel sowie ihre antimikrobielle Wirkung im Darm-Trakt aufrecht zu erhalten, gilt es die Leber als Bildungsort der Gallensäuren mit all ihren weiteren Aufgaben gesund und funktionsfähig zu erhalten. Zu diesen Aufgaben gehören diverse physiologische Prozesse wie Stoffwechsel, Sekretion, Deponierung von Vitaminen und Energieträgern. Wie bereits erwähnt ist die Leber auch ein zentrales Detoxifizierungsorgan endogener und exogener Substanzen. Weiterhin ist sie auch ein großes Immunorgan. Lebererkrankungen haben demzufolge einen wesentlichen Einfluss auf den Gesundheitsstatus.

Diese Erkrankungen können infektiöser (Bakterien, Pilze, Viren Parasiten) und nichtinfektiöser Natur sein. In der heutigen Zeit spielt hier der herbizide Wirkstoff Glyphosat eine Rolle, der seit 40 Jahren in der Landwirtschaft und seit Mitte der 90er Jahre bei gentechnisch modifizierten Pflanzen verwendet wird. Nach Samsel und Seneff (2013) schädigt er Leberzellen und blockiert zahlreiche Enzyme in der Leber, von denen viele für die Detoxifizierung von Xenobiotika notwendig sind.

Madrigal-Santillán et al. (2014) verweisen auf zahlreiche pflanzliche Inhaltsstoffe, die einen signifikanten Schutz auf die Leber ausüben: Flavonoide aus Pampelmusen, Anthocyanine aus Blaubeeren und Cranberries, Resveratrol und Qercetin aus Wein, Kaktusfeigenextrakte, Flavonoide (z. B. Quercetin) aus Kamille, Silymarin aus der Mariendistel, Inhaltsstoffe der Cyanobakterien (Spirulina spp.), Propilis sowie Polysaccharide (aus Einfachzuckern zusammengesetzte Zucker) von Hefen, Algen, Pilzen und einigen Bakterien sowie Getreiden (Gerste und Hafer). Diese pflanzlichen Inhaltsstoffe sind sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch wirksam.   

Prof. em. Monika Krüger, Biologin

Dieser Artikel ist Teil unserer Serie über den Magen-Darm-Trakt

Quellen


Kolb E. (1967): Lehrbuch der Physiologie der Haustiere. Zweite Auflage. VEB Gustav Fischer Verlag Jena. Ed. Erich Kolb.

Hill M.J., Drasar B.S. (1968): Degradation of bile salts by human intestinal bacteria. Gut, 1968, 9, 22-27.

Begley M., Gahan C.G.M., Hill C. (2005): The interaction between bacteria and bile. FEMS Microbiology Reviews. 29: 625–651.

Chiang J.Y.L. (2009): Bile acids: regulation of synthesis. DOI 10.1194/jlr.R900010-JLR200.

Samsel A., Seneff S. (2013): Glyphosate’s suppression of cytochrome P450 enzymes and amino acid biosynthesis by the gut microbiome: Pathways to modern diseases. Entropy 2013, 15, 1416-1463; doi:10.3390/e15041416.

Madrigal-Santillán E., Madrigal-Bujaidar E., Álvarez-González I., Sumaya-Martínez M.T.,  Gutiérrez-Salinas J., Bautista M., Morales-González A., García-Luna y González-Rubio M., Aguilar-Faisal J.L., Morales-González J.A. (2014): Review of natural products with hepatoprotective effects. World J Gastroenterol.  28: 14787-14804.

Bildnachweis: Abb. 1 Mizelle © natros - Fotolia.com

04.09.2017

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