Madonnenlilie
(Botanischer Name: Lilium candidum, Familie der Liliengewächse)
Lilium candidum,
Familie der Liliengewächse
Die großen trompetenförmigen Blüten mit den gelben Staubbeuteln beeindrucken die Menschen seit jeher. In der Antike symbolisierte die Lilie verschiedene Göttinnen, besonders Aphrodite und Venus, im Mittelalter wurde sie Maria als Symbol ihrer immerwährenden Jungfräulichkeit zugeordnet. Auf Darstellungen von Mariä Verkündigung trägt der Erzengel Gabriel den Lilienstängel in der Hand.
Die Heimat der Madonnenlilie liegt vermutlich in der östlichen Türkei und in Afghanistan. Die Phönizier verbreiteten sie im Mittelmeerraum, die Römer brachten sie nach Mitteleuropa und nach England. Als Heil- und Zierpflanze wird sie seitdem in Gärten angepflanzt. Der verwandte Türkenbund Lilium martagon war in ganz Eurasien heimisch, heute ist er selten und streng geschützt. Der typische Blattquirl der Lilienstängel und die Blattschuppen der Knolle (Schuppenzwiebel) sind ein Hinweis auf die zentrierenden Kräfte, die sich in der Energie der Blume des Lebens als Mandala wiederfindet.
Die Madonnenlilie blüht von Juni bis Juli, an alten Exemplaren können sich 10 bis 20 Blüten an den hohen Stängeln bilden.
Gesundheit und Schönheit
Hildegard von Bingen empfahl Lilienwasser und -salben gegen Hautausschläge, unreine Haut und für ein schönes Gesicht. Sie schrieb dieser reinen Blume auch gemütserhebende Wirkungen zu.
Noch heute werden Lilienöl und Lilienextrakte in hochwertiger Naturkosmetik verarbeitet. Lilienzwiebeln und Lilienblüten sind essbar, und sie wurden in der Heilkunde bei Melancholie genutzt. Sie enthalten ätherische Öle, Flavonoide, Schleimstoffe, Saponine.
Antike Ärzte empfahlen die Madonnenlilie bei Frauenleiden. Ägyptische Ärzte verwendeten die schleimhaltige, zerriebene Zwiebel für Umschläge bei Tumoren, Entzündungen und Verbrennungen. Lilienöl linderte Brandwunden und Ohrenschmerzen.
Die Lilie überwindet Gegensätze. Die gestauchte Lilienzwiebel in der Erde und die Auflösung in Stängel und Blüten Richtung Sonne offenbaren die Kräfte der Lilie. Sie löst Verspannungen und Stauungen im physischen und im emotionalen Bereich. Die Betonung der Oberfläche durch die Schuppenzwiebel, Blatt und Blüte verweist auf Haut und Schleimhäute, dort kann die Lilie Harmonie, Reinheit und Schönheit erhalten und regenerieren.
Neben der Rose ist die Lilie die zweite Königin der Blumen. Seit tausenden Jahren begleiten beide die Menschen als Zierpflanzen, schmückten Tempel und Altäre und erfreuten die Menschen bei besonderen Festen mit ihrer Schönheit.
Das Lilienbeet war in den Heilpflanzengärten eine Referenz an Maria, die himmlische Helferin und Heilerin. Der Benediktiner Walahfrid Strabo beschrieb sie sehr poetisch: In seinem botanischen Werk De cultura hortorum, das wir als den Hortulus kennen.
Die Wappenblume aus den Sümpfen der Schlachtfelder
Römische Adelige integrierten die Lilie, das Symbol für Reinheit, Hoffnung und Unversehrtheit, in ihre Wappen. Die Königsfamilie der Bourbonen griff diese Idee um das Jahr 1200 auf. Seit dieser Zeit ist die stilisierte Fleur des Lys das Symbol dieser Königsfamilie.
Wer nun genau hinschaut, der erkennt, dass es keine Lilie, sondern eine Iris ist und zwar die gelbe Iris oder Sumpfschwertlilie, Iris pseudacorus.
Die Sumpfschwertlilie konnte helfen, eine Schlacht zu gewinnen, denn die gelbe Iris zeigt seichte Stellen in Flüssen an. Das gibt in Schlachten entscheidende Hinweise, wo man einen Fluss überqueren konnte, um einen Überraschungsangriff zu starten oder einem gegnerischen Angriff auszuweichen.
Lys, steht für fleur de lys, für die Lilie. Lys ist aber auch ein französisch-belgischer Fluss, der bei Gent in die Schelde mündet und an dessen Ufern immer wieder Schlachten geschlagen wurden, auch noch in den beiden Weltkriegen.
Heraldische Legenden sollten auch den Herrschaftsanspruch der Monarchen göttlich legitimieren. Die französische Lilie ist im Siegel seit Robert des Frommen 996 bis 1036 belegt. Philipp II. trug im Jahr 1187 einen blauen Krönungsmantel mit goldgestickten "Lilien". Aber bereits um 500 soll der Merowinger König Chlodwig der Legende nach die Lilie (Iris) von einem Engel überreicht bekommen haben. Chlodwig konvertierte um 500 zum Christentum und wurde in Reims getauft.
Das mittlere Blütenblatt der französischen Lilie steht für das Christentum, die seitlichen Blätter werden als Militär und Klerus interpretiert, sie waren die drei staatstragenden Kräfte der französischen Monarchie. Die Kombination der drei Wappen-Lilien steht für die Dreifaltigkeit Gottes.
Die Deutsche Schwertlilie
Die Blaue oder Deutsche Schwertlilie, Iris germanica, kam erst im späten Mittelalter zu uns. Der Artname germanica irritiert, denn zumindest die Vorfahren dieser Pflanze stammen aus dem Mittelmeerraum. Iris germanica ist vermutlich ein Bastard. Die Deutsche Schwertlilie ist in Mitteleuropa steril und lässt sich nur durch Teilung der Wurzelstöcke vermehren, in Südeuropa bildet sie aber fruchtbare Samen aus.
Der Name Iris steht für den Regenbogen. Die griechische Götterbotin Iris führte die Seelen der Verstorbenen über einen Regenbogen in das Reich des ewigen Friedens. Sie bekam ihre Aufträge hauptsächlich von der Göttin Hera, während Hermes, als Sohn von Zeus, dessen Botschaften überbrachte.
Die Iris in der Heilkunde
Hier wird vor allem der getrocknete, geschälte Wurzelstock (Iris germanica) verwendet, besonders als Zahnungshilfe für Kleinkinder. Iriswurzeln werden als Veilchenwurzel gehandelt, weil der Geruch nach Veilchen durch die Trocknung sehr intensiv wird. Die Heilkunde verwendet ausschließlich die Wurzeln der Deutschen Schwertlilie, Iris gemanica, die Parfumindustrie nutzt auch andere Irisarten.
Manfred Hessel